Als ich landen buchstabierte

Als ich landen buchstabierte

Gyps hatte sich schlau gemacht. Im Flußwasser könnte für uns Gift sein, so seine Info. Rundherum beuteten die Zweibeiner das Land aus, um nach gold’nem Reichtum zu suchen und verdreckten dabei das Wasser. Die Fische fingen schon mit dem Verenden an, krass. Sie konnten ja nicht ausweichen, mußten in dieser Flüssigkeit schwimmen und leben. Ich hatte mich so auf einige Tage hier gefreut, aber Gyps drängte auf Abflug.

Ich war aus Gyps GPS-Tracking und seinen kruden Besonderheiten nie schlau geworden. Wir hatten doch von Anfang an die Navigation intus, wozu dann alles. Er war ja oft richtig besessen von Mega und Wwwpunkt, lebte in seiner Community und fand das alles großartig. Die dunklen Ahnungen, von denen das Mega heimgesucht worden war, waren noch undurchdringlicher geworden. Gyps erzählte von Ungenauigkeiten des Azimut und das alles ein riesiger Schiet sei. Er wolle sich nun doch besser auf seine angeborenen Fähigkeiten besinnen. Ich fand das ja nicht weiter schlimm. Eigentlich traurig nahm ich Abschied von dieser schönen Gegend, doch das verseuchte Wasser im Fluß verhagelte die Sternchenbewertungsbilanz in meinem Kopf. Ich hoffte auf bessere Zeiten, als ich mich reisefertig machte. Gyps kam und ich sattelte mich auf seinen Rücken, und los ging’s.

Gyps hatte mich bereits vorgewarnt. Doch die Strecke, die wir fliegen und segeln mußten, war noch viel weiter und anstrengender, als ich mir vorgestellt hatte. Vorsorglich versuchten wir die Behausungen der Zweibeiner zu meiden. Tiefe Schluchten taten sich auf, in denen abends Lichter brannten. Manchmal, wenn es schon spät war, suchten wir uns ein Nachtquartier auf einen der platten Dächer. Alles wuchs ineinander und ich konnte kaum Felder, Wälder oder freies Land erkennen. Tage später querten wir verlassene Weiten und auch wieder steinerne Schluchten, wo keine Lichter die Dunkelheit erhellten. Wir mußten auch eine Flugpause einlegen. Regen überflutete das Land. Unter einem Felsen schlugen wir unser Quartier auf und warteten eine lange Zeit. Ein schlammiger Weg führte vorbei, auf dem manchmal Zweibeiner vorbeikamen. «Gyps, haben die ihren Mandelkern noch?», fragte ich. «Möglich, vielleicht ist er, eigentlich sind’s zwei, eingetrocknet, geschrumpft und arbeitet einfach nicht mehr, weiß der Geier», dabei kicherte er vor sich hin. «Die werden dann ballaballa, bringen sich gegenseitig um, schreien rum und sind zu nichts mehr zu gebrauchen. Sie beherrschen, schikanieren, täuschen und tricksen, einfach gaga.» Das war unglaublich und mir wurde vieles klarer und verständlicher, was ich bisher so erlebt hatte. Auf die Zweibeiner war kein Verlaß mehr, leider. Als nach Tagen der Regen nachließ, versuchten wir unseren Hunger zu stillen. Gyps flog in die Berge und ich machte mich auf in die Niederungen. Was ich fand war sehr dürftig, ein paar Körner und Gräser. Gyps hingegen hatte Kropf und Wanst gut gefüllt.

Es ging weiter. Gyps machte es Spaß, über einen der silbernen, stinkenden großen Vögel zu fliegen. Manchmal gelang das auch, ich aber stand Ängste aus. Unter uns lag wieder eine unwirtliche Gegend, bevor unsere Route in Richtung der Berge ging und wir den brummenden Stinkvogel verließen.

Ich verkroch mich in Gyps Federn. Die Luft fühlte sich kalt und dünn an, als wir entlang der Gebirgsketten flogen, die hoch hinaufragten. Oben sah ich weiße Tücher ausgebreitet, so dachte ich, und wunderte mich. Ich machte mir einen Nicht-Vergessen-Knoten und steckte nun meinen Kopf in den flaumigen Federuntergrund. Ich war kurz davor einzuschlafen, was nicht ungefährlich war, als Gyps an Höhe verlor. Ich blinzelte nun doch wieder in die Umgebung, konnte aber unter uns nichts erkennen. Gyps zeterte vor sich hin, unverständlich, aber irgendwie besorgniserregend. Nebel hüllte uns plötzlich ein und Gyps schien in diese Schwaden hineinzufliegen. Auf unsere Federn legte sich eine gehauchte Feuchtigkeit, die sich nicht gut anfühlte. Gyps schien irgendwie orientierungslos. Ich schrie vollkreischend, «wir müssen landen, landen, lima-alfa-november-delta-echo-november, … «. Gyps verlor an Höhe, aber er trudelte weiter vor sich hin, um sich dann wieder unkontrolliert hochzudrehen. Voller Angst klammerte ich mich an meinen Freund. Wir schaffen das! Wie ein Mantra wiederholte ich leise diese Worte. Tatsächlich wurde die Sicht wieder besser und wir erreichten mit Ach und Krach einen Felsen, auf dem wir unsanft landeten.


Wir waren , wenn auch zerzaust, offensichtlich in Sicherheit. Gyps war noch nicht ansprechbar, so kaputt war er. Es raschelte hinter uns. Ein felliger Vierbeiner beachtete mich nicht weiter und zupfte intensiv an grünen Blättern. Keine Gefahr im Verzug, was für ein Glück! Morgen wollte ich mein ramponiertes Äußeres wieder ansehnlich trimmen. Die feuchte Luft empfand ich als wunderbar und auch so manche Wasserperle, die von den Blättern in meinen Schnabel tropfte, wenn ich es so wollte.

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