Wo Deutschlands Kaiser einst das Sagen hatte
Im November 2002 stand in der deutschsprachigen Allgemeine Zeitung in Namibia folgendes zu lesen: Schlag am Flügel – Ankunft des Ersatzflugzeuges verspätet
Die Boeing befand sich zur Wartung bei KLM, nachdem vermutlich ein Vogelschlag eine Delle am Flügel verursacht hatte. Wir hatten also unsere erste Nacht, anstatt im Flugzeug, in Frankfurt am Main in einem der Flughafenhotels verbracht. Kurz nach 4h wurde wieder geweckt, um dann gegen 10h in Richtung Namibia abzuheben, – in einem Mittelstreckenflugzeug mit entsprechend enger Bestuhlung. Der Cateringservice hatte in Frankfurt auch erst um 6h mit der Arbeit begonnen und deshalb hatte sich der Start nochmals entsprechend verzögert. Nun also los, – der Start in den späten Morgen ließ bei klarer Sicht den afrikanischen Kontinent plastisch erstehen, ein Ausgleich für die kurze Nacht.
Richtung Swakopmund mit der Eisenbahn
Die Tage in Windhoek waren ausgefüllt mit Aktivitäten bezüglich einer anderen Unterkunft für die Zeit vor unserer Rückreise, Besorgung von Bahnfahrkarten und der Reservierung unserer Unterkunft in Lüderitz. Wie ich recherchiert hatte, war es auch möglich im Leuchturm auf Shark Island zu übernachten. Die Nationalparkverwaltung nahm in Windhoek derartige Buchungen an; – Central Reservations Office. Ich war sehr angespannt, als wir im Office nachfragten und unsere Reiseplanung mit den Möglichkeiten der freien Kapazitäten im Leuchtturm verglichen. Es klappte! Für 2900,- N$ und von 14.- 19. November, – wir bekamen die schriftliche Buchungsbestätigung ausgehändigt. Ein Leuchtturm für uns allein..
In einem etwas desolaten Großraumwagen der Eisenbahn machten wir uns nach drei Tagen abends auf in Richtung Swakopmund. Die TV-Unterhaltung wurde nach einiger Zeit wegen «Schneegrieseln» auf dem Bildschirm ausgeschaltet, – was für ein Glück. Bei unserer privaten Unterkunftgeberin hatten wir angefragt, ob wir einen Tag früher kommen könnten wegen fehlender Zugverbindung. Sie, Petra, erwartete uns also einen Tag früher als geplant.
Frühmorgens, es war noch ziemlich kühl, trafen wir in Swakopmund ein. Anstatt eines Bahnhofgebäudes sahen wir, nun ja, sagen wir mal, ein Wartehäuschen. Weit und breit keine Spur von Zivilisation. Die Fahrgäste wurden teils abgeholt, teils machten sie sich auf in die Dämmerung, -wohin? Ein Ehepaar nahm sich unser an und versprach ein Taxi zu schicken, was auch tatsächlich nach kurzer Wartezeit kam. Es war kurz nach 6h und meiner Meinung nach zu früh um überfallartig in unsere Unterkunft zu fahren. Unser junger Taxifahrer hielt uns wohl für etwas spleenig, als wir ihn baten uns vor einem Hotel aussteigen zu lassen und uns dort in 2 Stunden dort wieder abzuholen. Nach 8h war er wieder zur Stelle und brachte uns zur angegebenen Adresse. Nach mehreren Klingelversuchen wollten wir uns schon auf die Straße verziehen. Vielleicht war es immer noch zu früh, doch die Türe öffnete sich. Wir waren angekommen, – ein Haus wie ein Puppenmuseum. Eine Woche verbrachten wir bei Petra, einer ehemaligen Politikerin, auch Lehrerin mit positiver Einstellung zum «alten Deutschland», und ihrem Ehemann sowie einem erwachsenen Sohn. Eine Hausangestellte versorgte den Haushalt und war tagsüber im Einsatz.
Atlantikküste und Nebelwüste
Albrecht holte sich den gebuchten Leihwagen. Das Büro befand sich im ehemaligen, sehr repräsentativen Bahnhof von Swakopmund in dem, unter anderem , auch ein sehr gutes Hotel residiert. Der Linksverkehr machte erst einmal leichte Probleme. Doch es war zu schaffen, ebenso eine Reifenpanne auf unserer Fahrt zur Skelettküste. Hilfsbereite Autofahrer halfen den Wagen wieder flott zu bekommen. Weit und breit Landschaft, doch welche Landschaft und Stimmung. Am Cape Cross verbreitete sich der beißende Geruch, um nicht zu sagen Gestank, der vielleicht 100 000 Zwergpelzrobben. 1486 errichtete der Portugiese Diego Cao ein Kreuz als Beweis für die Inbesitznahme des Gebietes für die portugiesische Krone, das heute noch als Nachbildung in der Robbenkolonie steht. Eigentlich wollten wir noch einen Flug zur nördlichen Skelettküste unternehmen, doch der Deal mit dem «Roten Baron», der Flüge anbot, kam nicht zustande. «Was wollen die denn dort, da gibt es ja nichts», so seine Worte im Hintergrund. Statt dessen kam ein Tripp zu einer botanischen Besonderheit, der Welwitschia, mit Heinz zustande. Er, ein Locationsscout, also jemand, der Plätze für Filme, Werbeaufnahmen und so weiter in der Gegend um Swakopmund suchte und vermittelte, nahm uns mit auf eine Tour in die Wüste. Dünen, Pflanzen, Felsformationen, Gesteine, – alles das konnte der ehemalige Brauer fundiert erklären. Krieg der Sterne wurde auf seine Empfehlung hier gedreht.
In Swakopmund und Walvis Bay
Die Kleinstadt Swakopmund ist geprägt von deutscher Architektur, vielen Touristen, Geschäftigkeit und auch der Nähe zum Meer. Lange Spaziergänge unternahmen wir, im Ohr das Rauschen des Meeres, die Kühle des Benguelastromes aus der Antarktis spürend, um dann in einem einfachem Lokal das beste, «ever», Wildsteak zu essen. Das war ein Teil von Swakopmund. Bei Petra gab es eine «deutsche Geheimecke» mit Büste und Literatur für Unterrichtszwecke, – das schien auch ein Teil zu sein. Ein Ausflug nach Walvis Bay mit Besuch einer Austernfarm fand leider bei trüben Wetter statt. Bei PROBST, einem Cafe/Restaurant und Bäckerei gab es zur Mittagszeit Leberkäse mit Bratkartoffeln. Albrecht hat es sich entgegen seiner sonstigen Reisegewohnheiten bestellt; sonst nur einheimische Kost. Aber was ist hier einheimische Kost?, doch auch Leberkäse mit Bratkartoffeln. Wir erkundeten auch noch den Flughafen, von dem wir in einigen Tagen nach Lüderitz fliegen und hier auch den Leihwagen zurückgeben wollten. Der Besuch der Austernfarm faszinierte mich wegen der vielen Flamingos. Albrecht hingegen wurden Austern im Überfluß angeboten, und er nahm dieses Angebot auch sehr gerne schlürfend an.
Auf nach Lüderitz
Vor dem Abflug wurde mir meine anatomische Klemme abgenommen. Leider vergaß ich in Lüderitz, mir, dieses Untensil, – brauchbar zum Halten von Kaktusohren oder Dosennippel), bei den Piloten abzuholen, ein schwerer Verlust. Auch bei späterer Nachfrage in Windhoek bei der Fluggesellschaft wurde ich nicht fündig. Es war kein derartiges «Teil» abgegeben worden. Das Flugzeug wies rechts und links je einen Sitz auf, das Handgepäck hielten die Passagiere vor sich und ein Vorhang verdeckte die Piloten auf ihren Plätzen. Ein Farbenspiel in den Tönen der Namib und des Meeres in allen Schattierungen fing mich ein, und so vergaß ich…. siehe oben. In Lüderitz vewechselte der Taxifahrer die Hotels. So landeten wir im Bay View und nicht im Hotel zum Sperrgebiet, was sich als gut herausstellen sollte.
Drei Nächte mußten wir noch auf den Schlüssel für den Leuchtturm warten. Fristgerecht holten wir ihn in der Stadtverwaltung ab, um uns dann auf den Weg zu machen. Ein Leuchtturm für uns allein!
Schlitzohrig hatten die deutschen Kolonialherren einen Damm aufgeschüttet, aus der Insel, Shark Island, wurde so eine Halbinsel. Später wurde ein Konzentrationslager durch Truppen des Deutschen Kaiserreiches errichtet und betrieben. Eine Insel wäre in den Besitz der Briten übergegangen. Aktuell aus 2023
Täglich, aber spätestens ab 11 Uhr vormittags war mit Wind zu rechnen, – salzig, sandig, alles dabei. Die Unterkunft war «hochläufig», ein Leuchtturm eben mit Aussicht nach allen Seiten. An der Zufahrtstraße, hielt in einem kleinen Häuschen, ein Angestellter der Nationalparkverwaltung Wache. Da ich hier auch kochte, mit Blick auf Lüderitz, erhielt die Wache auch hin und wieder einen vollen Teller von mir. Gerne wurde dies auch angenommen. Albrecht war , so wie meistens, mit den Einkäufen betraut. Über den Damm und später an den Industrieanlagen vorbei, sah ich ihn an einem der Tage noch gehen, als ich Geräusche aus unserem Wohnzimmer vernahm.
Die Türe zur Veranda war offen geblieben. Ein Mann schien sich für das Innere zu interessieren und fragte mich freundlich, als ich in den Raum trat, ob hier seine Gruppe übernachten könne. -Leider- mußte ich ablehnen, auch mit einer Untervermietung war ich nicht einverstanden. Ab nun wollten wir die Eingangstüre verschlossen halten. Doch als ich anderntags auf den Verandastufen saß, – Albrecht war wieder einkaufen, erhielt ich wieder Besuch. Ein deutschsprechendes Paar, offensichtlich Sohn und Mutter kamen auf mich zu. Der Mann um die 30, mit Kamera, stieg hinter mir die Stufen hoch und wollte augenscheinlich weiter in die Räumlichkeiten, um Fotos zu machen. Als ich ihn fragte, in deutscher Sprache, ob er vor Betreten eines fremden Hauses nicht frage ob……erschrocken stolperte er in Richtung seiner Mutter und beide verschwanden.
Tour nach Kolmannskoop
Es stellte sich als etwas schwierig heraus ohne Auto nach Kolmannskoop, der ehemaligen Diamantenmine, zu kommen. In der Agentur konnte Hin- und Rückfahrt nicht dazugebucht werden. Ebenfalls gebucht hatte ein deutschsprechendes Paar, daß spontan anbot, uns in ihrem Auto mitzunehmen. Eine Einladung unsererseits, doch anschließend zu Keksen und Kaffee in den Leuchtturm mitzukommen, nahmen die beiden etwas erstaunt, doch erfreut, an.
Die Tour zu der ehemaligen Diamantenmine war kurzweilig, auch die Führung durch die einzelnen Räume, dem Kasino mit Ballsaal. Sand und Wind hatten sich die Plätze zurückgeholt und bei dem Lehrerhaus stand der Sand bereits an der Fensterunterkante. Surrealistische Eindrücke und das Wissen um Vergänglichkeit, von Reichtum und Zivilisation begleiteten mich zurück. Gemeinsam mit unseren Gästen verbrachten wir bei launigen Gesprächen, nach dem Wohin und Woher, den angebrochenen Nachmittag.
Das auf einem Felsen liegende Goerke-Haus , heute ein Museum, vermittelte die anspruchsvolle Welt von gut situierten Kolonialisten. Der Frau des betuchten Besitzers war es dann doch in Lüderitz zu windig geworden und so zog sie nach einigen Monaten wieder zurück nach Berlin. In jener Zeit suchten vor allem Adlige mit irgendwie beschmutzen Westen die Ausreise nach Südwest. Auch Abenteuerlustige wollten in dieser Kolonie dem deutschen Kaiser dienen. Missionare und Kaufleute waren schon vor ihnen angekommen, um für das Kaiserreich das Gebiet zur Ansiedlung deutscher Arbeitsloser und als Absatzmarkt zu entwickeln. Der blutig niedergeschlagene Hereroaufstand 1904 sollte den Deutschen kein Glück bringen. Die Erinnerung daran ist heute noch präsent. 1907 wurden bei Erdarbeiten, zur nunmehr versandeten Eisenbahnlinie von Lüderitz über Aus nach Keetmannshoop, unter dem deutschen Bahnmeister und Amateurgeologen Stauch Diamanten gefunden. Die reichsten Diamantenfelder der Welt waren entdeckt. Der Vertrag von Versailles 1919 besiegelte die kurze Zeit Deutschlands als Kolonialmacht und den Verlust der Kolonie. Die Hälfte der deutschen Bevölkerung mußte das Land verlassen. Südafrika hatte das Sagen bis zur Unabhängigkeit. 1990 erhielt die SWAPO 57% der Stimmen bei der ersten Wahl in der jungen Republik.
Wir ließen Lüderitz hinter uns und saßen im schlecht gefederten Linienbus nach Keetmannshoop. Ein Bus der Marke MAN. Der erste Stopp wegen kochendem Kühlerwassers, – nun ja, kommt vor. Doch diese Stopps fanden in immer kürzeren Abständen statt. Ich sah zum verschmierten Fenster hinaus und überlegte, ob im nicht klimatisiertem Bus unsere Wasservorräte bis an unser Ziel reichen würden. Albrecht vermutete einen defekten Thermostat an der Kühlanlage, – und stellte in Aussicht eventuell noch etwas von unserem Trinkwasser abgeben zu müssen. Das sollte ironisch sein! -, fand ich aber nicht. In Aus war dann vorerst einmal die Fahrt vor einer großen Halle zu Ende. Was für ein Glück, Werbung für MAN und auch etliche Fahrzeuge dieses Herstellers vermittelten mir den Eindruck einer Vertragswerkstatt. Die Benützung der werkstatteigenen Toiletten wurde von uns Passagieren gerne in Anspruch genommen. Waren es 40 Minuten oder auch länger, jedenfalls starteten wir frohen Mutes Richtung Keetmannshoop. Die Straße führte an kilometerlangen Zäunen vorbei, dahinter kaum Vegetation und wirkte einschläfernd. Es gab keine weiteren Stopps wegen «Befindlichkeiten» des Busses. Tafelberge, geschliffen durch Sand und Wind, ragten hin und wieder in der Landschaft hoch. Der Bus fuhr nun immer wieder abseits der Straße in Dörfer und zu anderen Bedarfshaltestellen, wo Menschen ein- oder auch ausstiegen. Die Fahrt näherte sich dem Ende zu, und die Sonne stand schon tief, als wir am Busbahnhof eintrafen. Wir nahmen ein Taxi zu unserem, in der Lüderitzer Agentur gebuchten, Hotel das nur einige Häuserblocks weiter lag.
Im Bird’s Mansions Hotel waren wir vorzüglich untergebracht. Die professionellen Hotelbesitzerinnen vermittelten für unsere anstehenden Ausflüge kurzfristig einen Guide, der hauptberuflich als Lokomotivführer bei der staatlichen Bahn arbeitete. Unsere erste Tour führte uns an den Fish river Canyon, nach dem Grand Canyon in den USA, der imposanteste, – nur mit viel weniger Publikum.
Auf der Fahrt begleiteten uns zeitweise Strauße. Die Landschaft war meist eintönig und ermüdete mich, lediglich eine Pause in der Nähe einer kleinen Furt rief meine Lebensgeister wieder zurück. Unter einem Baum mit weit ausladenden Zweigen lag ein Grab. Es wirkte irgendwie unwirklich und deplaziert. Später am Canyonrand unternahmen wir einen kurzen Spaziergang. Zu gerne hätte ich, in der Tiefe, an einem Trail teilgenommen, doch dies war nur zur kühlen Jahreszeit möglich. Auf der Rückfahrt wurde die Gespräche intensiver und unserer Guide erzählte aus seinem Leben, – und wir aus unserem. Wir freuten uns auf unseren nächsten gemeinsamen Trip zu Giants Playground und dem Köcherbaumwald.
Bis dahin sollte noch ein Tag vergehen und diesen nützten wir zur Erkundung der Stadt. Relikte aus der Kolonialzeit wie der Turnverein»Gut Heil» und das «Kaiserliche Postamt» ließen an eine Filmkulisse denken. In der Bank wurden wir zeitlich wieder eingeholt, als die Schleuse am Eingang defekt war und keine Kunden hinein oder hinaus konnten. Die in der Schleuse Gefangene ertrug ihre Situation mit Gleichmut. Nach 20 Minuten nahm die Bank wieder den ungestörten Betrieb auf. Wir besuchten, auf mein Drängen und spontan, ein Altenheim. Wir wurden freudig empfangen und herumgeführt. Nur Weiße, überwiegend Frauen, lebten dort. In der Küche wurde Gemüse geputzt und alles frisch zubereitet, wie uns versichert wurde. Die Ausstattung entsprach sicher nicht europäischem Standard, doch es schien ein herzliches Klima zu herrschen. Am Stadtrand wollten wir in einer Hotelbar etwas trinken. Die Klimaanlagen waren voll im Einsatz. Ich fragte nach «Icecoffee» und erklärte meinen Wunsch auch noch en detail. Serviert wurde mir «Irishcoffee», der mich bei leerem Magen und der etwas hohen Außentemperatur sicherlich außer Gefecht gesetzt hätte. Ich ließ ihn stehen und bestellte, nunmehr auf der sicheren Seite, Wasser.
Giants Playground und im Köcherbaumwald
Bei Nolte
Nach Playground und Köcherbaumwald erwarteten uns bei Nolte eine Wildtierfütterung und kühle Getränke. Der Campground wurde als Anlaufstelle für Besichtigungtouren gerne besucht. Die Eigentümer nahmen in ihrem Wildgehege verletzte oder verlassene Jungtiere, Geparden, auf. Zusätzlich gab es noch frei herumlaufende Erdmännchen, Schweine und vor der Haustüre einen gemütlichen Hund und eine selbstbewußte Katze.
Unser Aufenthalt neigte sich dem Ende zu und wir besorgten die Zugfahrkarten nach Windhoek. Am Bahnhof sahen wir eine kleine Gruppe von Kindern, die herumlungerten. Zwei dieser Jungs, vielleicht 10 Jahre alt, sahen wir später bei unserem Supermarkteinkauf vor der Geschäftstüre sitzen. Ich sah auch, daß einige der Einkäufer nach dem Verlassen des Geschäftes den Kindern etwas an Eß- oder auch Trinkbaren zusteckten. Das wollte ich auch so machen, doch offensichtlich übertrieb ich dieses «etwas zustecken». Ich hatte eine volle Tüte in der Hand, die ich den überrraschten Kindern gab. Diese ergriffen das unerwartete Geschenk und liefen, – wie von einer Tarantel? gestochen davon, die Straße entlang und direkt in die Arme von Polizisten. Zum Glück hatte eine Passantin den Vorgang beobachtet und klärte die Polizisten auf, daß hier kein Diebstahl vorläge, – dabei zeigte sie in unsere Richtung. Wir nickten ausdrucksstark. Die Jungs gingen mit gesenkten Kopf samt Beutel davon, um an der Häuserecke wieder loszurennen. Am nächsten Tag saß noch ein dritter Junge vor dem Supermarkt. Wieder war ein Plastikbeutel von mir gefüllt worden. Bei der Übergabe ermahnte ich die Kinder noch eindringlich, nicht wie wild weg zu rennen, sondern nur ganz «slowly». Das klappte dann auch.
Irgenwie hatte es sich herumgesprochen, denn als wir am Abreisetag am Bahnhof eintrafen, warteten wir inmitten einer Kindergruppe, die uns Freude bereitete. Wir verspürten kein «lästiges» Betteln, wir teilten einfach noch etwas von unserem Proviant und nahmen Abschied. Temperamentvolles und freudiges Abschiedswinken der Kinder, für uns und den abfahrenden Zug in Richtung Windhoek, waren noch eine kurze Zeit zu sehen.
Frühmorgens kamen wir mit dem Zug in Windhoek an. In der reservierten Unterkunft, Pension Moni, war unser Zimmer noch nicht bezugsfertig, doch am Pool konnten wir entspannt darauf warten. Die Tage vor unserer Abreise waren nicht verplant. Kolonialarchitektur war immer wieder zu bestaunen wie auch der Ausblick vom Hang mit der Christuskirche und der alten Feste, – apropos Christuskirche: sie wurde in der Zeit von 1907-1910 als Dank für den Sieg über die Nama und die Herero errichtet. Deshalb, so erklärte ich es mir später, auch die Abneigung der Damara, Nama, Ovambo, Herero, – gegen diese Kirche und ihre Repräsentanten.
Auf den Straßen konnte ich immer wieder die sogenannten Schnalzlaute aus den Unterhaltungen von Menschen heraushören. So ergab sich der Besuch eines Gottesdienstes, in einer Kirche abseits des Zentrums, fast als zwingend, um mehr von dieser Sprache zu hören. So besuchten wir um 11 Uhr bei Reverend Kim den letzten Gottesdienst im Kirchenjahr, der auch in den Sprachen der Ovambo und Damara gehalten werden sollte. Albrecht, kein Kirchennetzwerker, saß trotzdem erwartungsvoll neben mir. Nach einiger Zeit setzte sich die Frau des Pfarrers zu uns und sprach Albrecht in sehr gutem Deutsch an. Sie trug die traditionelle Kleidung der Hereros. Wir waren die einzigen Weißen. Nach unseren Beweggründen befragt, die wir ihr flüsternd mitteilten, übersetzte sie uns anschließend die Predigt. Sie wollte einen von uns später nach vorne bitten, ob wir damit einverstanden wären -? Albrecht sagte zu. Gesang, der bei mir Gänsehaut erzeugte, erfüllte die Kirche. Die Lieder wurden von Männern im Wechsel mit der gesamten Kirchengemeinde dargeboten. Unsere Übersetzerin war nach vorne gegangen, um ihren blinden Mann, den Pfarrer, zu unterstützen. Ihr gutes Deutsch war das Ergebnis ihrer langen Zeit als Hausangestellte bei deutschsprachigen Familien. Wir wurden als Gäste angekündigt. Albrecht wurde nach vorne gebeten, – ich ging… Ein zehnminütiger Dialog entwickelte sich und endete für uns mit einer herzlichen Verabschiedung an diesem doch ungewöhnlichen Ort.
Bei der Taxifahrt zum Flughafen entwickelte sich noch ein «etwas sonderbares» Gespräch. Albrecht erwähnte die Einwohnerzahl Deutschlands , achtzig Millionen, und Namibia zählte eine Million Einwohner. Unser Taxifahrer flippte aus, lachend und immer wiederholend: » Oh, my god, eighty millions germans!! Oh my god!!» Was immer er sich dabei gedacht hat, blieb verborgen.
Auf dem Video einer Youtuberin «schnalzt», «klickst» und «schmatzt» die Sprache –