Unterwegs ins Sperrgebiet

Unterwegs ins Sperrgebiet

Wenn das Reisen auch keine Gründe braucht, so gibt es sie doch, diese Gründe. Manch einer will auf den Spuren Goethes reisen, ein anderer den 40sten nördlichen Breitengrad entlang und wir, Albrecht und ich ? Wir wollten den Geburtsort von Albrechts Vater suchen und besuchen, im ehemaligen Ostpreußen und heutigen Kaliningrader Oblast.

Die Recherchen zu unserem Wunschziel erwiesen sich 2006 als entmutigend. Ausgehend von der vorhandenen Geburtsurkunde mit dem verbrieften Geburtsort Skirwieth/Ostpreußen versuchte ich verschiedene Informationskanäle anzuzapfen. Die Post an die Propstei in Kaliningrad wurde nicht beantwortet, doch über eine kirchliche Stelle in Deutschland kam erstmals ein Brief mit Informationen und guten Wünschen. Die guten Wünsche bezogen sich auf die, doch eher negativen, Aussichten in das besagte Gebiet reisen zu können. Skirwieth, das nun Borovoe heißt, liegt im Grenz-, das heißt Sperrgebiet, am südlichen Arm des Memeldeltas. Eine Sondererlaubnis, Propussk, ist erforderlich. Sollte überhaupt eine Genehmigung erfolgen wäre auch die Begleitung von Miliz notwendig… Bei einem Landkartendienst besorgten wir uns die Meßtischblätter 0793 und 0794 , Hrsg. Preußischen Landesaufnahme 1911/ letzte Änderung 1938. Eine etwas alte Karte, doch mit genauen Angaben von den damaligen Katasteraufzeichnungen. Neuere Karten gab es nicht. Über ein Reisebüro mit Schwerpunkt Baltikum buchten wir eine Unterkunft für die 2. bis 4. Nacht (Hotel Rossija) in Sowetsk/Tilsit und beantragten Visa für Rußland mit Sondererlaubnis zum Besuch von Borovoe. Einen ausführlichen Brief für die Beweggründe dieser Reise, beglaubigte Kopien der Urkunden von Albrechts Vater, legten wir dem Antrag bei und ich war hoffnungsvoll. Im Reisebüro machte man uns wenig Hoffnung auf positive Erledigung. Individualreisende waren 2006 noch sehr suspekt. Doch siehe da, wir erhielten neben dem Touristenvisum auch die Genehmigung, das Sperrgebiet zu besuchen. Diese Sondererlaubnis, ein wertvolles Stück Papier, sollten wir im Atlastour-Büro in Kaliningrad abholen. Die 1. Nacht wollten wir in Kaliningrad verbringen ohne vorherige Reservierung.

Von Riga über Vilnius nach Jurbarkas

Die Reise begann in Riga mit einer Überrraschung: ein Wasserrohrbruch im gebuchten Hotel. So wurden wir umquartiert in ein Schwesterhotel, Hotel de Rome, einige Klassen besser.

Das Schwarzhäupterhaus am Rathausplatz wurde erstmal 1334 erwähnt als das Neue Haus der Großen Gilde. Es diente den Kaufleuten für ihre Zusammenkünfte. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das im gotischen Stil erbaute Haus rekonstruiert.

Rigaer Zentralmarkt

Im Rahmen der Erweiterung wurden 1922 die oberen Hallenteile aus dem Luftschiffhafen in Kurzeme verwendet. Die Markthallen muten mit ihren tonnenförmigen Dächern daher wie Hangars an.

Wir schlenderten durch die Gassen und immer wieder überrraschten die großartigen Bauten, die im alten Glanz der Hanse erstrahlten. Junge Touristen waren unterwegs, auffallend viele schwedische Besucher, die überfallsartig Lokale besetzten. Die gelbe Einheitskleidung ließ diese Zuordnung problemlos zu. Mein größtes Interesse galt den Markthallen, wo ich die spezielle Atmosphäre schnuppern konnte. Nach drei Tagen fuhren wir mit dem  Latvijas Expresis inmitten einer Jugendgruppe, die zum Wandern auf die Krim wollte, nach Vilnius. Dieser Zug endete in Sewastopol.

Vilnius, kleiner und gemütlicher als Riga, zeigte sich jedoch auch reich an Baudenkmälern und die Gassen luden zum Bummeln ein. In der Innenstadt bevölkerten diesmal nicht Schweden, sondern Schotten die Lokale. Gut erkennbar an den Röcken waren sie zu einem Länderspiel angereist. So hat sich Vilnius bei mir als schottisch geprägte Stadt im Gedächtnis erhalten.

Am Flughafen in Vilnius holten wir den gebuchten Leihwagen ab. Vor unserer Rückreise waren noch drei Tage hier vorgesehen und das Auto sollte dann im Hotel abgeholt werden. Alles gut, mit den notwendigen Papieren für die Fahrt in die russische Exklave Kaliningrad und vielen guten Wünschen machten wir uns auf den Weg. Unser nächster Stopp vor der Grenze war Jurbakas an der Memel. Im Internet hatten wir zwar die Adresse einer deutschsprachigen Lehrerin, die Zimmer vermietete, gefunden, doch ohne eine Reservierung vorzunehmen. Laut Reiseführer gab es ja noch ein Hotel in der Stadt. Über Kaunas kamen wir in ein verschlafenes Nest. Das Hotel befand sich im 7. Stock eines heruntergekommenen Hochhauses, und zwar nur in dieser Etage. Die anderen Mieter hatten wohl schon das Weite gesucht, so auch wir. Nun begaben wir uns auf die Suche nach unserer anderen Option. Nach zweimaligen Vorbeifahren an einer vermeintlichen Gärtnerei, faßten wir uns ein Herz, trotz des bellenden Riesenschnauzers, zu klingeln. Bevor wir klingeln konnten kam eine Frau mittleren Alters um die Ecke. Wir schilderten unser Anliegen. Sie sprach deutsch, war aber die Hausangestellte. Angeboten wurde uns nun ein Zimmer im Nebenhaus unterm Dach. Der Blick auf die Memel war gratis und die Benutzung des Gemeinschaftsbades inklusive. Wie sich herausstellte war die rührige und umsichtige Hausangestellte längere Zeit als Pflegerin in Bad Kreuznach tätig gewesen. Insgeheim nannten wir sie liebevoll «Kreuznacher Feger«. Die Hausbesitzerin lernten wir später kennen. Diese erzählte von ihrer Lehrtätigkeit, der Arbeit in der Politik und dem schwierigen Aufbau des Tourismus. Eine Delegation aus Rußland, vom anderen Memelufer, wurde erwartet. Das Haupthaus war ausgebucht. Wir lernten auch diese Lokalpolitiker kennen, hielten uns im Hintergrund und doch wurden wir nach dem Woher und Wohin gefragt. Albrechts Russischkenntnissse kamen zum Einsatz. Mit dem Riesenschnauzer schloß ich Freundschaft. Ein Lokal suchten wir vergebens, so aßen wir unsere Proviantreste und ließen den Abend auf der Veranda ausklingen. Die Landschaft lag vor uns , gemäldehaft. (Link am Ende des Berichtes.)

An der Memel in Jurbakas

Nach einem guten Frühstück in unser Unterkunft Jurodis machten wir uns am nächsten Tag auf die Fahrt Richtung Grenze.

Kaliningrader Oblast

Die Fahrt an die Grenze verlief kurzweilig und es war kaum Straßenverkehr zu verzeichnen. Am späten Vormittag passierten wir die Luisenbrücke, die Litauen mit der Grenzstadt Sowetsk, dem ehemaligen Tilsit, verbindet. Am Brückenkopf auf russischer Seite begann bereits der überfüllte Parkplatz des offensichtlich zu kleinen Zollgebäudes. Das Ausfüllen der Formulare für die Einreise des Leihwagens war nach anfänglichen Schwierigkeiten mit Hilfe eines LKW-Fahrers aus Litauen dann doch in kurzer Zeit möglich. Die Formulare für unsere Einreise hatten wir in deutscher Übersetzung bei uns. Das gestaltete sich daher als nicht schwierig. Ich machte mich auf, um Geld zu wechseln. Ein kleines Häuschen, vielleicht drei Quadratmeter groß, entpuppte sich als Wechselstube. Euro hin und Rubel her, ohne Beleg, – auch gut. Trotz des scheinbaren Chaos verließen wir, wie andere auch, den Grenzbereich und fuhren nun Richtung Kaliningrad, wo wir heute noch unsere Sonder- genehmigung (Propussk) abholen mußten. Die Fahrt durch die Grenzstadt Sowetsk, auf gut Glück, überstanden wir ohne größere Verirrungen. Keine leserlichen Beschilderungen und marode Straßen forderten meinen Orientierungssinn heraus, der später auch noch auf eine harte Probe gestellt werden sollte. Die Hauptstadt des Oblast, Kaliningrad, erreichten wir am frühen Nachmittag. Aus diversen Reisekatalogen hatte ich bereits Hotelnamen samt Adressen mit unserem Stadtplan abgeglichen. Nach einigen Irrfahrten wegen Riesenbaustellen und Erreichen des Leninsky Prospekts sichtete ich die kyrillischen Buchstaben des Hotel Kaliningrad. Albrecht , voll konzentriert, hoffte, daß meine Annahme richtig sei. Sie war richtig. Vor dem Hotel parkte er, wie andere auch, vorschriftswidrig. Wir gingen hinein und ohne Probleme bekamen wir gegen Vorauszahlung für eine Nacht ein Doppelzimmer. Meine eingewechselten Rubel war ich nun fast zur Gänze los. Parkplatz für das Auto sei hinter dem Gebäudekomplex, so wurde uns versichert. Im Nachhinein: wir hätten verkehrswidrig links herumfahren müssen…. Albrecht hielt sich an die Verkehrsordnung und fuhr rechts herum. Wir fuhren und fuhren, mit leichtem Rechtsdrall, irgendwo mußten wir ja wieder hinkommen, – zum Hotel. Inzwischen war das Hotel ja außer Sichtweite. Nochmals nach rechts abgebogen und wieder Wohnblocks mit Grün, dazwischen eine Zufahrt. Albrecht beschlich erst leiser Zweifel, dann auch leichte Verzweiflung, doch schlußendlich standen wir nach einer 30minütigen Horrorfahrt auf dem Parkplatz hinter dem Hotel. Nach kurzer Pause machten wir uns zu Fuß auf in das Reisebüro. Praktischerweise lag es auf derselben Straße wie unser Hotel. Das ersehnte Stück Papier wurde uns ausgehändigt, einem Besuch in Skirwieth stand behördlicherseits also nichts mehr im Wege. Mit guten Wünschen für die Fahrt wurden wir freundlich verabschiedet. Ein Hinweis wurde uns noch mitgegeben. Eigentlich ungern würde das Reisebüro solche Besorgungen übernehmen, da in letzter Zeit oftmals Probleme aufgetreten waren. Welche das waren, wurde uns nicht verraten. Auf Nachfrage bekamen wir noch einen Restauranttipp.

Der 50 Rubelschein zeigt Mütterchen Wolga

Zurück im Hotel meldete sich bereits grimmig mein Magen mit Hungerzeichen. In der Hotellobby befand sich ein Bankomat! Ich hatte ihn bereits beim Einchecken gesichtet. Wohlwollend spuckte er Rubel in gewünschter Menge aus. Vor dem Hotel versuchten wir unser Glück auf der Straße nach rechts, auch zu Fuß. Wir suchten einen mannshohen «Honigbären» der vor einem Lokal stehen sollte. Einmal hin und auf der anderen Straßenseite zurück… , der Bär erwartete uns. Ohne Tipp aus dem Reisebüro hätten wir die rot beleuchtete Außentreppe nach unten nicht für einen Restaurantzugang gehalten. Nach dem Abstieg befanden wir uns in einem gehobenen russischen Restaurant, traditionell, soweit ich das beurteilen konnte. Wir empfanden es als sehr angenehm nach diesem langen aufregenden Tag. Es gab eine Damenkarte. Albrecht runzelte die Stirn. Auf seiner Karte standen moderate Preise für die Speisen, aber keine Getränkepreise. Albrechts Runzeln vertieften sich. Ich bestellte Soljanka. Bei gemütlichen Ausklang mit Bier und Wein stimmten wir uns auf den morgigen Tag ein. Die Rechnung in Höhe unserer Hotelkosten konnte uns nichts anhaben. Die Musik der Kapelle begleitete uns, dezent und russisch, zum Ausgang und zur Straße hoch. Die Musik klang noch in meinen Ohren als ich im Hotel ankam. Es regnete nicht nur, es goß in Strömen.

Ausblick vom Leninsky Prospekt

Die Abfahrt aus Kaliningrad verzögerte sich etwas. Wir wollten uns noch Rubel beschaffen. Unsere Reserve an Traveller Schecks sollte noch angezapft werden. Albrecht ging los, während ich packte. Nach 40 Minuten kam er mit Rubel und einer Geschichte zurück. Die erste Bank, die er aufgesucht hatte, konnte nicht… die zweite konnte, aber mit Schwierigkeiten. Fünf Angestellte wurden zusammengeholt und eine versierte Kraft erklärte das «Produkt». Albrecht wurde noch gefragt, ob die Auszahlung in Rubel oder US$ erfolgen sollte. Albrecht wollte, was Wunder, Rubel.

Wir fuhren ab und suchten den Weg hinaus aus der Stadt Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg. Meine Schilderung von Buchstabenformen der langen Straße ergaben den Namen Frunse , eines ehemaligen Generals der Rotgardisten um 1920. So begleitete uns General Frunse hinaus auf’s Land. Es hatte wieder angefangen zu regnen.

Lokal in Bolsakova

Auf halber Strecke nach Sowetsk lag Bolsakova. Das in einem Reiseführer aufgeführte Cafe hatte geschlossen. So suchten wir uns in dem einzigen offenen Lokal an der einzigen Hauptstraße einen Platz. Es regnete, und dies war ein trostloser Ort mit einer trostlosen Bedienung. Erst kam sie lange nicht an den Tresen, sondern huschte im Hinterzimmer hin und her. Ein junger Russe trank etwas aus einem Glas. Außer uns war er der einzige Gast. Die Bedienung kam. Albrecht orderte zwei Kaffee und zeigte auf süßes Gebäck, daß auf einem Teller offen angeboten wurde. Zwei Tassen wurden mit zwei kleinen Portionen Kaffeepulver und heißem Wasser aus einer Kanne gefüllt. Dazu gab es einen kleinen Löffel zum Umrühren, einen. Albrecht erlaubte sich noch nach Moloko (Milch) zu fragen. Unwirsch in den Raum gerufen, kam so etwas wie, das hätte der doch gleich sagen können. Die Milch kam in einem Kännchen und das Gebäck holten wir uns ohne weiter zu fragen. Der junge Russe entschuldigte sich mit Kopfschütteln für diesen «Service». An der Eingangstür klebte aus unerfindlichen Gründen Gösser-Bierreklame. Es hatte aufgehört zu regnen.

Sowetsk – Slavsk – Skirwieth

Unser Hotel in Sowetsk war nicht schwer zu finden. Das beste Hotel der Stadt empfahl sich für Veranstaltungen, Bankette, Seminare und so weiter. Der Parkplatz hinter dem Hotel war diesmal ohne Schwierigkeiten zu finden, aber ausgestattet mit Schlaglöcher gefüllt mit Wasser und solchen ohne. Nun gut. Wir konnten reibungslos einchecken. Essen im Restaurant war allerdings nicht möglich, wegen einer geschlossenen Gesellschaft. Ein Stadtplan ? Njet. Mit dem Orientierungsplan des Hotelprospektes machten wir uns auf den Weg. Eine Art Pizzeria war überfüllt mit Jugendlichen. Wir gingen weiter. Auf unserem Plan waren keine Lokale angegeben und auch Straßennamen, so sie in der Realität vorhanden waren, nicht eingezeichnet. An einem kleinen See mit Fischbraterei machten wir halt und holten uns Fisch und Kartoffelbrei, dazu Bier. Vor dem Hotel vergnügten sich Kinder an der Elchstatue. Unser Zimmer war top, es gab nichts zu meckern.

In der Lobby saß lässig ein junger, korrekt gekleideter Mann. Albrecht vermutete einen «Ausländerbeobachter» vom KGB. Auch hier gab es einen Bankomaten, der von mir in Aktion gebracht wurde. Am nächsten Morgen erklang im Frühstücksraum überlaute Musik nach Gusto des Personals. Bemüht und eifrig wurden wir bedient, es hätte schlechter sein können.

Wir brachen auf, um uns in Slavsk umzusehen. Auf dem Weg dorthin sahen wir abseits eine orthodoxe Kirche. Sie war auch Kloster und im Aufbau begriffen. In einem kleinen Laden empfing uns eine alte Frau freundlich. Ikonenbilder, Schriften und andere religiöse Gegenstände wurden angeboten. Eine englischsprechende Enkeltochter und ein deutsch- sprechender Geistlicher wurden geholt. Er zeigte uns die Kirche und erklärte auch das Mysterium der kalten Quelle. Ein Bad in ihr wirkt gegen Krankheiten. Auf Grund dieser heilenden Wirkung wird dieser Ort gerne aufgesucht. Eine Welt für sich.

Slavsk liegt abseits vom Abseits. Von hier wollten wir in das Sperrgebiet starten, doch wo anfangen? Ich vertraute auf die Netzwerke der Kirchen und so gingen wir geradewegs auf den Kirchturm zu. Das Haupttor war mit Brettern vernagelt. Albrecht wendete sich schon ab. «Hier ist niemand», so seine Überzeugung. Er ist kein vertrauter Kirchennetzwerker. Als ich um die Kirche herum ging hörte ich Stimmen aus dem Inneren und winkte Albrecht heran. Ich klopfte an der Seitentüre und öffnete sie behutsam. Drei Frauen waren mit Arbeiten beschäftigt. Die Hälfte des Kirchenschiffes mit dem vernagelten Hauptportal war Baustelle, so gab es einiges zu reinigen. Eine der Frauen kam auf mich zu und stellte sich als Ljuba vor. Albrecht war schon an meiner Seite. Auf Deutsch und Russisch erklärten wir unser Anliegen, was nicht ohne beiderseitigem Lachen ging. Ljuba war so etwas wie der gute Geist der Pfarre und für das Funktionieren in der kirchlichen Gemeinde zuständig. Zu den Gottesdiensten kam ein Pfarrer aus Kaliningrad angereist. Sie fuhr mit ihrem Fahrrad voraus und wir folgten mit dem Auto. Sie hatte uns zu sich nach Hause eingeladen. Ein kleines Haus mit Garten bewohnte sie mit ihrem Mann, nebenan wohnte Sohn mit Schwiegertochter. Der Enkelsohn wartete schon freudig auf sie. Es sei doch vieles einfacher geworden, seit Litauen in der EU sei. Auch ihr Sohn, der in Litauen arbeitete, konnte seiner Familie durch den kleinen Grenzverkehr mehr bieten. Ljubas Mann kam nach Hause. Er arbeitete als Forstbeauftragter und Jäger im Bezirk Slavsk. Albrecht schilderte unseren Plan, wieder etwas Kauderwelsch auf Russisch-Deutsch. Schließlich einigten sich die Männer. Am nächsten Morgen nach dem Gottesdienst sollte es losgehen. Skirwieth sei ein verlassener Ort, ohne Häuser und ob wir das geplante Ziel erreichen würden sei auch fraglich, so die trockene Meinung von Ljubas Mann. Wir müßten auch mit unserem Auto fahren, da sein geländegängiger Dienstwagen eine kaputte Windschutzscheibe habe.

Abends wollten wir im Hotel essen. Das Restaurant war wegen einer Hochzeitsfeier geschlossen, so begaben wir uns wieder auf die Suche nach einem Lokal. Wir stießen auf eine Bar, gingen hinein in der Hoffnung eine warme Mahlzeit zu bekommen, – und es gab zu essen, was für ein Glück!

Zum Gottesdienst erschienen wir pünktlich. Die großen Tücher und Bettlaken waren von den Stühlen entfernt worden und die Plätze zur Hälfte belegt. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes kam noch eine Gruppe von Kindern im Alter von 4 bis vielleicht 7 Jahren. Später erfuhren wir, daß diese Kinder in einem Kinderheim leben. Sie sahen traurig aus. Der Gottesdienst in dieser Kirche, die halb Baustelle war, wirkte auf mich katakombenhaft und irgendwie geheimnisvoll. Die Lieder wurden in deutscher Sprache gesunden und die Predigt erfolgte in Teilen auf russisch. Ljubas Mann war nicht gekommen. Nach dem Gottesdienst stellte uns Ljuba der Kinderheimleiterin vor. Sie kam aus Bayreuth und hatte hier ihre Aufgabe gefunden; (dazu ein Link am Ende).In vielen Familien gibt es aufgrund von Alkoholismus, auch eine Folge von Arbeitslosigkeit, geschädigte Kinder. Viele davon wurden sich selbst überlassen. Im Kinderheim erhalten sie neben Essen und Kleidung vielleicht auch etwas Hoffnung und Wärme. Nun wußte ich den erloschenen Kinderblick zu deuten.

Ljubas Mann (rechts) mit Albrecht auf der alten gepflasterten Dorfstraße im ehemaligen Skirwieth / Borovoe.

Ljubas Mann wartete bei sich zuhause auf uns und wir konnten starten. Mit unserem Opel Corsa, der wahrlich kein Geländewagen ist, fuhren wir los. Bis zur nächsten Ortschaft nahmen wir noch eine Kirchenbesucherin mit, die eine Mitfahrgelegenheit gesucht hatte. Die Straße wurde immer schlechter. In den Pfützen badeten Gänse. Ich saß hinten. Von weitem sah ich den Schlagbaum. Ich kramte in meiner Tasche nach Paß und Sondergenehmigung. Albrecht hielt an. Ein freundliches Lächeln, ein Winken, – unser Begleiter grüßte zurück und der Schlagbaum öffnete sich. Wir fuhren weiter und ich sah zurück. Die beiden Grenzbeamten lehnten gelangweilt an der Schranke. Vereinbart war, auf dieser Straße weiterzufahren bis an das Ufer der Memel, einer Straße die diesen Namen nicht verdiente. Die letzte Ansiedlung lag schon lange hinter uns. Hin und wieder standen Autos von Pilzsammlern am Waldrand, der urwüchsig auf mich wirkte. Das Gebiet wurde im früheren Ostpreußen Elchniederung genannt. Albrecht erhielt die Anweisung nach links abzufahren. Über sandiges Terrain ging es nun tiefer in Wald. Hier war nun von Straße keine Rede mehr und Piste auch noch übertrieben. Hänsel und Gretel ließen grüßen! Immer weiter und tiefer hinein, durch Morast und dünenartige Flächen, – all das erforderte volle Konzentration des Fahrers. Ich war ganz still und angespannt. Ein kleiner Bach mit einer Metallkonstruktion erforderte einen Halt. Eine Brücke, aber was für eine. Zwei Pontonteile lagen höhenversetzt in Spurbreite gebräuchlicher Autos. Bei exakter Einweisung und Millimeterarbeit fuhr Albrecht über diese schiefe Ebene und blieb auf der anderen Seite stehen, um seine Fahrgäste wieder einsteigen zu lassen. Bei der Rückfahrt mußte an dieser Stelle noch eine Radkappe dran glauben. Nach dieser «Brücke» waren noch einige Autos von Pilzsammlern abgestellt und Albrecht war frohen Mutes für die Rückfahrt. Jeder der an dieser Brücke scheitern sollte würde Helfer haben, ein Trost.

Nach kurzer Fahrt stellte Albrecht das Auto ab und wir Drei machten uns auf einen kurzen Fußmarsch. Altes Kopfsteinpflaster verriet die frühere Besiedlung, doch sonst hatte sich die Natur vieles wieder zurückerobert. Verwilderte Apfelbäume, ein alter Brunnenschacht und Gartenblumen waren letzte Zeichen einer vergangenen Zivilisation. Ich hob einen alten Pflasterstein auf, den ich mitnehmen wollte, (und auch habe). Eine ungefähr 5 Meter breite Furt war kein Hindernis für uns. Albrecht und ich zogen Schuhe und Strümpfe aus und krempelten die Hosenbeine hoch. Ljubas Mann hatte seine Stiefel an und konnte trockenen Fußes durchwaten. Ein hochpreisiger schwarzer Geländewagen kam auf uns zu. Junge Leute in Partystimmung fuhren Offroad in dieser Idylle. Diese unerfreuliche Begegnung ließen wir hinter uns und standen bald am südlichsten Memelarm im Delta. Eine eingezäunte Weide reichte bis an das schilfbewachsene Ufer. Dort stand ein Anhänger mit blauem Aufbau, der uns auf der Litauer Seite zur Orientierung dienen würde…

Nun standen wir tatsählich inmitten des verlassenen Ortes und den kaum erkennbaren Resten früheren Lebens. Ljubas Mann berichtete, daß dieses Dorf vor langer Zeit aufgegeben wurde, noch brauchbares Baumaterial der abbruchreifen Häuser abgeholt und wiederverwendet wurden. Wir hielten noch kurz inne, sahen über den Fluß der träge in Richtung Haff floß, um hinter den verschilften Ufern zu verschwinden. Wir hatten vor, auf der litauischen Seite eine vermeintliche Anlegestelle einer früheren Fähre zu suchen. Auf unserer alten Karte war eine solche eingezeichnet. Albrechts Vater war hier geboren. Hier wuchs vermutlich der Wunsch, seine Heimat zu verlassen und als Pfarrer und Missionar in die Welt hinaus zu gehen. Wir stapften schweigend zu unserem Auto zurück, das bisher gut seinen Dienst verrrichtet hatte. Auf der Rückfahrt nahm die heikle Bachüberquerung wieder unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Ich stand auf sicheren Boden, Albrecht am Steuer und Ljubas Mann lotste als Einweiser, auf der gegenüberliegenden Seite. Diesmal sah ich nicht weg, sondern beobachtete sprachlos. Die ohnehin schräg liegenden Pontons waren in unter schiedlichen Höhen, links tiefer als rechts, nur mit Maßarbeit zu befahren. Platz war nur für die Reifenbreite. Es durfte also keine unbedachten Lenkausschläge geben, trotzdem mußte eine Radkappe dranglauben. Ein Metallträger des Pontons engte die «Spur» noch zusätzlich ein. Nach dieser Überfahrt schafften wir die weitere Fahrt entspannt.

In Slavsk erwartete uns schon Ljuba. Sie hatte ein Angebot für uns bereit: In dem renovierten Gemeindehaus gab es Übernachtungsmöglichkeiten. Nun folgten wir ihr, sie mit dem Fahrrad vorneweg, wir mit dem Auto auf der holprigen Straße hinterher. Die Unterkunft gefiel uns, doch wir hatten Bedenken. Ljubas Mann hatte sich in der Zwischenzeit bezüglich einer Aufenthaltsbestätigung amtlicherseits erkundigt. Für diese Bestätigung wurde «Bezahlung» verlangt. Das erschien ihm, wie auch uns, riskant. Eigentlich wäre nur die Propstei in Kaliningrad, als Anbieter, berechtigt gewesen diese Bestätigung auszustellen. Wir wollten am nächsten Tag nochmals wiederkommen und mit unserer Entscheidung warten. Herzlich und mit vielen Dankesworten verabschiedeten wir uns. Ljubas Mann wollte kein Geld für diese geführte Abenteuertour, doch als wir ihm einige Rubelscheine für die kaputte Windschutzscheibe in die Hand drückten, nahm er diese doch an. Die Reparatur konnte er nun vielleicht schneller in Angriff nehmen und mußte nicht auf die Erledigung durch seinen Dienstgeber warten. Es war nicht nur ein wunderbarer Tag, sondern auch ein guter.

Wir fuhren nach Sowetsk zurück, um dort unsere letzte Nacht im gebuchten Hotel zu verbringen. Heute war das Restaurant, was-Wunder, für den allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet. Doch heute wollten wir nicht! Wir bevorzugten einige Straßen weiter unsere «Bar», die auch eine gute Küche bot. Daran anschließend machten wir noch einen Rundgang in der Stadt. Mit dem Fotografieren war ich vorsichtig, da Sowetsk Grenzstadt ist und ich keine Unannehmlichkeiten wollte. Die berühmte Luisenbrücke konnte ich daher leider nicht fotografieren, da sie im Bereich der Einreise- und Zollbehörde liegt. Armselige Hinterhofunterkünfte wollte ich auch nicht fotografieren, derer gab es viele, und auch nicht die großen Wasserpfützen, denen wir ausweichen mußten. Albrecht verglich sie mit Kinderbadewannen. Den Jugendlichen stand Optimismus ins Gesicht geschrieben, und auch der Wunsch nach Konsum war ihnen anzusehen. In einem, – vielleicht dem einzigen, «Supermarkt-Kaufhaus» ließ das Sortiment im Elektronikfachbereich keine Wünsche offen. Wir aber deckten uns mit Proviant ein. Als wir am nächsten Tag, nach dem Auschecken, bei Ljuba eintrafen war unsere Entscheidung gefallen, nicht in Slavsk zu bleiben. Die Visa hätten die Zeit noch abgedeckt, aber die unsichere Sache mit der Aufenthaltsbestätigung war uns nicht geheuer. Etwas traurig mußte uns Ljuba ziehen lassen. Sie konnte diese Vorschriften nicht verstehen, aber sie hatte schon lange genug in diesem Sytem gelebt, um zu akzeptieren was nicht zu ändern ist. Es konnte nur besser werden, und so wie wir sie und ihre Familie erlebt hatten, war es schon erträglicher geworden. Von ihrem Mann konnten wir uns nicht mehr verabschieden, er war schon wieder in den Wäldern unterwegs; in jenen Wäldern, die uns geheimnisvoll wie aus einer anderen Zeit erschienen waren.

Sovetsk, das ehemalige Tilsit, war mir als Namensgeber des würzigen Käse ein Begriff. Protestantische Flüchtlinge aus Holland sollen in Tilsit den damals hergestellten Käse verfeinert haben. Der Käse erhält sein Aroma durch eine Bakterienkultur und muß mindestens vier Wochen reifen. Diese Rezeptur gelangte wieder zurück in die Heimat der Flüchtlinge.

Auf der Fahrt von Slavsk über Sowetsk zur Grenzstation sahen wir an Straßenrändern alte Frauen mit gekrümmten Rücken und Kopftüchern. Sie boten Kartoffeln und schon etwas welkes Gemüse an. Wir hielten an. Die Frauen sahen nicht hoch und sanken noch mehr in sich zusammen als ich auf sie zukam. Ein Foto, so meinte ich, wäre erniedrigend gewesen. Ich kaufte vier große Kartoffeln bei einer Frau, die im Abseits saß. Sie sah micht schräg von unten an. Ich gab ihr alle Münzen, die ich hatte. Was für ein Leben. Die Rubelscheine hatten wir bei Ljuba gelassen für das Kinderheim. Den Provianteinkauf hatten wir ja schon am Vortag erledigt und so stand unserer Abreise nichts mehr im Wege. Wir folgten einer Beschilderung in Richtung Grenze, die, wie sich später herausstellte veraltet war. Es gab eine neuere Straßen, ohne Badewannenlöcher, die wir nach einer kurzen Irrfahrt dann doch erreichten. Auf der alten Straße wäre bei Nacht ein Achsbruch durchaus möglich gewesen, so Albrecht. An der Grenze ging die Abfertigung erstaunlich schnell vor sich. Eine freundliche Zollbeamtin winkte uns, nach kurzer Kontrolle, durch und wir fuhren über die Memel nach Litauen. Die Sondergenehmigung für das Sperrgebiet hätten wir eigentlich abgeben müssen, aber danach wurde nicht gefragt.

Ohne Tilsiter Käse auf die Kurische Nehrung

In Klaipeda

Nach kurzem Halt an der Zollstation in Litauen, die neu mit EU-Geld errrichtet worden war, fuhren wir bis zur nächsten Tankstelle. Außer Benzin für unseren Corsa gab es Kaffee und belegte Brötchen für uns. Wir wollten nach Juodkrante (Schwarzort) auf der Nehrung. Die Fahrt führte uns über Silute (Heidekrug) und Klaipeda. Nach einer kurzen Fährfahrt und nach wenigen Kilometern erreichten wir unser Ziel.

Juodkrante – Hauptstraße

In einem Hotel, das auch in Katalogen zu finden gewesen war, sollte sich die Touristeninformation befinden. Wir hatten nirgendwo hier reserviert. Das Büro fanden wir, doch es war geschlossen, – immer montags. Die freundliche Dame an der Hotelrezeption half uns weiter. Sie offerierte uns zunächst ein Zimmer im Hotel. Ich fragte ob es Appartements gäbe, in denen ich kochen könnte, war sie erst einmal erstaunt. Sie verneinte, so etwas sei hier nicht möglich, aber…Sie schrieb uns die Adresse einer Ferienwohnung auf, die wir uns ansehen könnten. Auch wollte sie gleich anrufen, um uns anzumelden. Wir fanden die Wohnung ohne Probleme, sie war an der Hauptstraße gelegen. Die Räumlichkeiten befanden sich an der Rückseite des Hauses, von der Straße abgewandt.

Nun waren wir für 6 Tage hier bei Vaida untergebracht. Ich kochte abends die russischen Kartoffeln, dazu gab es die flunderartigen Fische, die Albrecht aus einem Straßenkiosk anbrachte. Wir aßen auf unserer Dachterrasse in der Abendsonne und ließen den Tag bei bei einem Glas Wein ausklingen.

Bei herrrlichem Wetter, Mitte September, unternahmen wir Tagestouren nach Klaipeda und Nidda. Vor dem Thomas-Mann-Haus in Nidda  standen,    auf einem großen Parkplatz, die Besucherbusse. Das Haus war Anziehungspunkt für viele der Touristen, und Karawanen davon waren dorthin auf dem Weg. Wir erledigten Einkäufe und machten uns wieder auf den Weg zu unserer Ferienwohnung.

Bei einem Besuch in Klaipeda führte mich Albrecht zu dem mir unbekannten «Ännchen von Tharau». Sie ziert, auf einer Säule stehend, einen Brunnen in der Stadt. Das Lied wurde von Simon Dach (1605-1659) geschrieben. Darin wird Schönheit und Charme von Anna Neander aus Tharau (Vladimorovo) besungen. Sie war dreimal mit Pastoren verheiratet und überlebte all ihre Männer. Ihr Grab liegt in Insterburg im Kaliningrader Oblast. Albrecht summte die Melodie, die Textkenntnis ließ zu wünschen übrig.

Wir verbrachten auch Stunden an der Ostsee. Um dort hinzugelangen, mußten wir über die kieferbewachsenen Dünen hinter unserer Wohnung. Juodkrante liegt geschützt am Haff. Der Strand war schon herbstlich aufgeräumt und lud zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Albrecht suchte für mich nach Bernstein. Der Hexenberg mit seinen großartigen, totemähnlichen Kunstwerken und die außerhalb des Ortes gelegenen sogenannten «Toten Dünen» waren weitere Ziele, die wir besuchten.

Am Hexenberg

Ein Tag in Rusne

Unser Ziel war es, die ehemalige Anlegestelle der Fähre am litauischen Ufer der Memel / Nemunas zu suchen und auch zu finden. Die Anfahrt schafften wir ohne Probleme. Rusne liegt auf einer Insel und ist oft von Überschwemmungen bedroht. Die beiden Informationszentren für den Nationalpark und für die Ethnokultur der Insel, – ( ethnografisches Gehöft und Museum von Rusne, Skirvytes-Str.8) hätten uns auch interessiert, aber wir wollten an das Ufer der Memel. Anhand der Meßtischblätter suchten wir flußabwärts, fuhren Dämme entlang, kamen an Uferabschnitte und wollten weiter. Mehrfach mußten wir wieder zurück, da Wasserläufe unsere Wege beendeten. Waren auf der russischen Seite Pilzsammler unterwegs, so trafen wir hier auf Gruppen von Anglern. Manchmal erhielten wir auf Nachfrage wenige vage Wegbeschreibungen. Freundlich und entspannt verbrachten sie den Tag, die Angeln hingen im Wasser, gefangene Fische schwammen in Reusen und warteten auf den Abtransport. Wieder mußten wir auf einen Damm zurück, bogen dann auf eine Schotterstraße ab und sahen ein Militärcamp. Ich war wie erstarrt. Hier an der Grenze, Militär, das brachte ich mit eventuellen Problemen in Verbindung. Albrecht versuchte mich zu beruhigen. Die Soldaten schienen Sport zu treiben, Volleyball, vielleicht doch ein Freizeitcamp ? Wir fuhren in beängstigender Nähe vorbei. Die Soldaten schienen sich nicht für uns zu interessieren. Ich war aber erst beruhigt, als ich das Camp nicht mehr hinter uns sah. Wir trafen wieder auf Fischer am Ende der Schotterpiste. Ein Pfad führte weiter am Ufer antlang. Wir konnte schon das andere Ufer sehen. Einer der Fischer wollte uns seinen Fang zeigen und das, was einmal Skirwieth war. Wir folgten ihm. Am Ziel erkannten wir den Anhänger samt Aufbau, drüben, bei den Russen. Was für ein Tag! Die Fischer freuten sich mit uns.

Auf der anderen Seite, am russischen Memelufer, ist der Anhänger mit Aufbau in der Fotomitte erkennbar. Die frühere Fährverbindung mußte hier bestanden haben.

In Juodkrante

In Juodkrante besuchten wir öfter ein kleines Lokal an der Hauptstraße. Im Vorgarten saßen wir wieder einmal in der Sonne, als ein Radfahrer an unseren Tisch kam. Er hatte uns als Deutschsprechende erkannt und erzählte sogleich von seinen Erlebnissen. Seine Radtour hatte in Dänemark begonnen und ihn über Schweden, Finnland, Estland, Lettland bis hierher nach Litauen geführt. Mitgenommen und auch etwas wütend wirkte er auf mich. Sein Ton wurde lauter und er schilderte seine Begegnung an der russischen Grenze…und sie, die Zollbeamten haben ihn nicht an der Küste weiterfahren lassen. Er habe ihnen, den Zollbeamten aber die Meinung gesagt ! Nun muß er den langen Umweg über Land Richtung Grenze Litauen-Polen nehmen, um wieder nach Deutschland zu gelangen, so seine unwirsche Feststellung. Wochenlang sei er schon unterwegs gewesen, auch um zu beweisen, daß er nicht aus gesundheitlichen Gründen seinen Arbeitsplatz aufgeben müsse. Wir konnten dem nicht ganz folgen, luden ihn aber zu einem Bier ein. Das nahm er dankbar an und erzählte weiter. Als es kühler wurde machte er sich auf den Weg in Richtung Deutschland.

Abschied von Juodkrante auf der Kurischen Nehrung

Die Fahrt zurück nach Vilnius über Kaunas konnten wir in kurzer Zeit zurücklegen. Die neuen und sehr guten Straßenabschnitte machten das möglich. Große Hinweistafeln informierten an den Straßenrändern über EU-Fördermittel die hier zum Einsatz gekommen waren. Häufig waren bei Waldpassagen Autos an den Seitenstreifen abgestellt, ich vermutete von Pilzsammlern.

Blick auf Vilnius

Die schottischen Fans waren abgereist. Unser Leihwagen wurde abgeholt, ohne weitere Beanstandung wegen der abgefahrenen Radkappe. Oft gäbe es andere Probleme bei Fahrten in den Oblast, auch Diebstahl und Sachbeschädigung kämen vor. Ich dachte, wie überall. Ein Taxifahrer, weißrussischer Staatsbürger, brachte uns zum Flughafen. Er fand die EU sehr gut, endlich gäbe es für die Nachbarn auch bessere Lebensbedingungen und Arbeit. Ziel errreicht, – alles war gut gegangen und mit vielen neuen Eindrücken landeten wir nach einem kurzen Flug in Frankfurt am Main.

Link zu unserer Unterkunft in Jurbarkas https://www.gasthaus.lt

Link zu Kinderheim in Slavsk https://www.diakonie-puschendorf.org/die-projekte/pflegefamilie-swetlatschok

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