Wie Pi zu ihren bleichen Federn kam
Ich war zeitweise wie erschlagen, als ich von dem Herumirren hörte, das Pi hinter sich gebracht hatte. In einer Kiste war sie mitgereist, wußte nicht woher und wohin die Reisen gingen. Ihr Zuhause war hinter ihr geblieben, auf Nimmerwiedersehen, kahl und unwirtlich. Unbeschreibliches hatte sie erlebt und sich mit Kreaturen ausgetauscht am Wasser, zu Land, in Wüstenstrichen, in verlassener Zivilisation und ihr Lebensfeind war ständiger Begleiter. Gyps meinte, «ey, krass…».
Die kruden Berichte machten mich eigentlich nicht schlau und so konnte ich mir nur einiges zusammenreimen. Pis Erlebnisse blieben so nur bruckstückhaft. Gyps wirkte entspannt und beobachtete den Zustand, «sie ist im Kopf auch nicht mehr richtig», folgerte er aus dem Wirrwarr ihrer Gedanken. «Hach, einen Feuerball am Himmel, Stürme und Fallout, was soll das schon geben?» Ich widmete mich dem Tagesgeschäft, das hieß, ich kümmerte mich um die Nahrungsbeschaffung für Pi und mich. Gyps nörgelte weiter an uns rum, verschwand oft für einige Stunden und kam mit voller Plauze zurück. Pi schien wieder zu schwächeln und Federn fielen aus. «Weiße Tauben sollten Frieden bringen», moserte Gyps vor sich hin, «aber wenn eine Pi heißt wird das wohl nichts. Mega meint auch, das wäre überholt.» Mich nervte diese ewige Besserwisserei. Ich konterte mit dem Vorschlag, mich doch endlich dem Mega vorzustellen. «Hey, Kleiner, vorstellen ?, was meinst du?», erläuterte er , «das ist kein Zweibeiner, die sind schon fast ausgestorben.» Es folgten weitere, mir unverständliche, Belehrungen. Was sollte ich unter Megas umspannender Aufgabe von Kordinatenfixing, Stopp der Polumkehr und was sonst noch alles, verstehen? «Gyps streckte sich und machte sich noch größer, als er ohnehin schon war und verkündete, «ich bin ein Borderliner. Ich kann hier sein und bin auch anderswo, verstehst du…? Nein!»
Zweibeiner und Vierbeiner
Pi fühlte sich schwach. Sie saß in einer Sandkuhle im Hof und zitterte. «Ihr ist kalt», meinte ich und zupfte an Gyps Halskrause, die heute wieder sehr ungepflegt aussah. » Mhm», kam es zurück, «das seh› ich auch.» «Wir müßten sie hudern», erläuterte ich. «Hud—-dern??? Was soll das sein? «, krächzte er. «Ha, da hast du einmal was nicht verstanden», triumphierte ich und plusterte mich auf, um größer zu werden. «Du bist zwar einer der hier und anderswo sein kann, aber hudern kannst du nicht!» Meine Feststellung traf ihn sichtlich, er zog den Hals ein und schien auf einer Frageschiene unterwegs zu sein, vielleicht zu Mega. Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. «Hudern ist das Warmhalten kleiner Vögel, ich hab’s», schrie er, «ich hab’s kapiert!» Mein Erstaunen beeindruckte ihn und ich wollte nun, daß nun die Tat auf der Kralle folgt. «Dann mach› mal», forderte ich ihn auf, «ich bin zu klein, ich kann Pi nicht hudern.» Nun kam erst einmal keine Aktion sondern nur Gemotze, von wegen zu klein, großer Klappe und nichts dahinter. Er wußte nicht was und wie er’s machen sollte. Kleinlaut gluckste er, «ich bin, – war ein Findelgeierkind, außerdem kann ich nicht hudern…». Alles klar. Ich versuchte nun anhand einer praktischen Übung zu erklären, was zu tun sei. Über Pi zu sitzen, aber nicht auf ihr, sie unter den Federn zu verbergen und Wärme zu geben. Ich hockte mich nach dieser Lehrtätigkeit wieder an mein Fensterloch und sah Gyps Bemühungen zu. Er bot seine ganze Geschicklichkeit und Ausdauer auf, um sich bei der anstehenden Nachtarbeit zu bewähren. Er huderte und huderte und huderte…
Nachts wachte ich zuweilen auf, voll Sorge, doch ich konnte mich auf die gewissenhafte Wache meines Freundes verlassen. Morgens wehten kühle Winde um die Hütten und verlassenen Häuser. Die Morgendämmerung hatte mich geweckt. Es war kalt. Gyps lag im Sand, nicht im Horst, seinem üblichen Schlafplatz, und schien zu träumen. Der Hals bewegte sich in komischen Verrenkungen. Ich trippelte vorsichtig hinüber und konnte Pi vorerst unter dem Federoutfit nicht entdecken. Doch ich vernahm ihren ruhigen Atem und entdeckte an der anderen Seite unter Gyps Halskrause ihren Kopf, der schon ganz kahl war. Ihr Federkleid wurde immer schlechter. Ich machte mir Sorgen. Gyps hatte von Fallout gesprochen, eine ganz miese Geschichte sei das, hatte er gemeint, und zog den Schluß, «die Zweibeiner produzieren Derart-Abartiges-ieges , die sind zu blöd um zu leben.» Dabei hatte er sich verhaspelt. Sowas blieb mir einfach unverständlich und überhaupt: eine Frechheit! Ich suchte mir ein Plätzchen unter Gyps riesigen Schwingen, die ich ein klein wenig zur Seite schob, um mich dann mit dem wohlig warmen Gefieder einzuhüllen. Ein Weilchen wollte ich noch schlafen, doch daraus wurde nichts…. Gyps wachte auf. Die Sonne wärmte schon den Innenhof, doch Pi lag noch immer ermattet in der Sandkuhle. Mit Gyps stand ich nun vor ihr und beratschlagten, was wir weiterhin tun konnten.
«Wir könnten sie an’s Wasser bringen», meinte Gyps und nach einiger Überlegung stimmte ich zu. «Aber nicht zu den schwarzschimmernden Wassern im Marschland», waren meine Einwände gewesen. Er konnte meine Bedenken zerstreuen. Pi war mit allem einverstanden. Ihre weißen Federn blieben mir noch immer ein Rätsel, während Gyps in seiner nerdijingen Art alles zu wissen schien und trotz seiner Zweifel helfen wollte.
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