Afrika hautnah-1994

Afrika hautnah-1994

Gestrandet in Kidatu

2013 zählte Kidatu 3000 Einwohner. Die Produktion von 130000 Tonnen Zucker im Jahr ermöglichte Arbeitsplätze und damit einen gewissen Wohlstand. Ein Gleisanschluß zur Hauptstrecke nach Dar es Salaam förderte ebenfalls den Aufschwung. 1994 war davon noch nichts zu sehen.

Am späten Nachmittag, zwei Tage später, fanden wir uns im Bahnhof in Mbeya ein, um den TAZARA (TAnazania-ZAmbia-RAilway) nach Ifakara zu nehmen. Die Eisenbahnstrecke mit einer Länge von 1863 km von Dar-es Salaam nach Lusaka/Sambia war 1976 in Betrieb genommen worden. Von chinesischen Firmen erbaut und finanziert, wollte man die Exportroute über Südafrikas Häfen umgehen. Erz aus Sambia sollte so in Dar-es-Salaam verschifft werden. Seit 2013 besteht die Möglichkeit weiter bis nach Kapstadt mit der Bahn zu fahren. Der Luxuszug Pride of Africa fährt 2-3mal jährlich auf dieser Strecke. Für uns war 1994 die Fahrt von Ifakara nach Mikumi noch völlig unklar. Die Nebenstrecke nach Kidatu war noch nicht vorhanden.

Als der Zug aus Sambia eintraf war es dunkel geworden. Albrecht und ich wurden in unterschiedliche Abteile eingewiesen. Er gemeinsam mit zwei Männern und einigen Jutesäcken, ich mit Frauen und einem Mädchen, das an Malaria litt. Das Kind sollte in Dar es Salaam ins Krankenhaus, so berichtete die Mutter. Der Zug fuhr in die Nacht. Lautstarke Pfiffe der Diesellok kündigten die häufigen Halte an. Händler warteten bereits auf das Eintreffen und boten ihre Waren an. Im Männerabteil kamen noch weitere Säcke und auch loses Gemüse zum bereits vorhandenen Frachtgut dazu. Es sollte in Dar es Salaam verkauft werden.

Ifakara empfing uns bereits bei Sonnenlicht, als wir ausstiegen. Wir sahen ein repräsentatives Gebäude, das wohl nur für «besondere» Reisende geöffnet wurde. Dieses Bahnhofsgebäude blieb daher für uns und alle anderen Ankommenden geschlossen. In einem Menschenpulk gingen wir zu den vermuteten Transportmöglichkeiten in die Stadt Ifakara, oder doch ein Ort ? Der Transport erfolgte dann auf einem LKW. Ich durfte nach vorne neben den Fahrer. Albrecht grinste und murmelte etwas von Madam bevor er hinten hochstieg. Auf der Ladefläche war ein Umfallen nicht möglich. Eingepfercht stand er inmitten der Ladung von Menschen, Kisten, Kartons und Gepäck. Nach einigen Minuten Fahrt erfolgte eine Kontrolle durch die Polizei. Auf einer Seite der Ladefläche sprangen Passagiere ab, um nach erneutem Anfahren auf der anderen Seite wieder aufzuspringen. Trotz Überladung kamen wir nach kurzer Zeit auf der Hauptstraße an. Einige Holzhütten bildeten das Zentrum. Vor einem Laden, der auch Getränke anzubieten schien, standen einige Männer. So erfuhren wir, daß der Bus nach Mikumi schon abgefahren war, der nächste würde erst wieder morgen kommen. Privat gäbe es aber täglich öfter Transporte nach Mikumi über Kidatu, so die Männer. So warteten wir also auch an der staubigen Straße. Noch einige junge Männer gesellten sich zu uns. Unter uns, damit meinte ich die Gruppe aller Wartenden, Schicksalsgefährten, – und wie sich herausstellen sollte, war diese Bezeichnung sehr zutreffend. Nach einer halben Stunde, oder war es eine Stude, kam Bewegung in unser Warten. Ein Pick-up hielt vor uns. Der Fahrer kassierte von allen den Fahrpreis, beaufsichtigte die Verladung von Frachtgut und Gepäck. Die Männer kamen mit auf die Ladefläche und ich nach vorne. Ich sah auch keine weitere weibliche Person unter den Fahrgästen. Es ging los. Die Straße war Piste, später schaukelte das Auto immer wieder in den breiten Spurrillen. Der feine aufgewirbelte Staub setzte sich auf der Haut fest. Bei den Zwischenstopps stiegen Männer ab oder auch Fracht wurde zugeladen. Ein frei gewordener Stehpatz den Albrecht gleich in Beschlag nahm wurde kurz darauf von einem großen, hohen Korb mit Trockenfisch wieder zunichte gemacht. Der Fahrer sprach ein wenig englisch, fragte nach unseren Plänen. Ich gab bereitwillig Auskunft. In Ifakara hatten wir für die Fahrt in den Ort Mikumi an der Üerlandstraße nach Dar es Salaam , das waren an die 100km , umgerechnet 12.- DM für uns beide bezahlt. Der Fahrer wiederholte meine Aussage, in den Mikumi Nationalpark zu wollen, – und ich bestätigte dies freudig.

Der nächste Halt in Kidatu schien etwas länger zu dauern. Einige der Männer waren an ihrem Ziel angekommen und verschwanden. Auch alle anderen, ein kleines Häufchen, stiegen aus und suchten sich unter einem Hüttendach am Straßenrand Schutz vor der Sonne. Unser Fahrer verschwand ebenfalls. Auf der anderen Straßenseite waren einige Bewohner zusammengekommen, vermutlich um zu sehen, wie sich die Sache entwickeln würde. Ein junger, behinderter Mann kam auf Albrecht zu und machte sich an seiner Brille zu schaffen. Nach einiger Zeit schien er das Interesse daran verloren zu haben und die Brille saß noch immer auf der Nase des Besitzers. Auf der Straße gegenüber waren nun immer mehr Schaulustige eingetroffen. Unser Fahrer frisch gewaschen, rasiert und mit Krawatte kam zurück. Wie uns nun klar wurde, war er der Besitzer des Fahrzeuges. Der Aufenthalt würde sich noch hinziehen, meinte er an uns gerichtet, auch zur Polizei müsse er und er brauche auch Benzingeld für die Weiterfahrt. Geld für Benzin erhielt er nicht, doch er gab noch nicht auf. Er wollte nun nochmals kassieren. Für die restliche Strecke zum Nationalpark an die 120.-DM Fahrtkosten. Meine Ablehnung war nonverbal schon ausdrucksstark gewesen und benötigte das verbale no fast nicht mehr. Verärgert versuchte der Boss mit den anderen Reisenden zu verhandeln. Es kam natürlich zu keiner Einigung. Er stieg in sein Auto und war weg. Wir aber saßen nun mitsamt unseren Gepäckstücken am Straßenrand in Kidatu. Was nun? Der nächste Bus würde morgen kommen. Ein gemauertes Haus mit der Aufschrift Hoteli stand unweit auf der anderen Straßenseite, mal schauen.

Einer der Dorfbewohner kam auf uns zu. Er hatte die Situation beobachtet und bot uns an, eine Fahrgelegenheit zu vermitteln. Es würde aber noch dauern. Albrecht ging über die Straße zu einen Kiosk, der mit Getränkereklame warb. Ich konnte sehen wie der Betreiber die Kühlschranktür öffnete, – und der Kühlschrank war völlig leer. Inzwischen schien das ganze Dorf von der anderen Straßenseite unsere mißliche Lage zu beobachten. Es waren Stunden vergangen und ich mußte mal… Im Hoteli empfing man mich freudig und wußte gleich, was mich hierher führte.. Hotelis sind unmöblierte Unterkünfte, was sich vorher meiner Vorstellung entzogen hatte. Im sauber gefegten großen Empfangsraum stand eine Holzbank. Eine der drei anwesenden Frauen führte mich vorbei an kleinen Zimmern. Statt Türen verbargen, nur teilweise, Vorhänge, die auf den Boden liegenden Matratzen. Ab der Mitte des Flures sah ich in den Himmel, die Decke fehlte. Auch in der Toilette, ein Loch im Boden, war der Blick nach oben frei. Alles war sehr sauber. Bevor ich das Hoteli verließ, gab ich den Frauen ein paar Münzen für die Benützung und dies ungefragt. Ich ging zurück. Die Frauen tanzten auf der Veranda, so berichtete Albrecht. Ich hörte Freudenschreie, traute mich aber nicht zurückzusehen.

Wir teilten gerade unseren Reiseproviant mit unseren Schicksalsgefährten, als unser Vermittler wieder auftauchte. Eine Transportmöglichkeit bestehe, meinte er, doch der Fahrpreis wäre 120.-DM. Ich überlegte, in Relation zu europäischen Taxipreisen wäre dies auch noch in Ordnung und andere Möglichkeiten, außer einer Übernachtung im Hoteli, gab es nicht. Der nächste Bus würde morgen kommen. Nach kurzer Beratung war der Handel perfekt. Mit unserem ersten Anbieter wären wir auf keinen Fall weitergefahren, diesem Schlitzohr. Unser Vermittler machte einen seriösen Eindruck. Als er uns verließ waren wir frohen Mutes und hofften auf eine baldige Weiterfahrt.

Unser nächstes Ziel der Mikumi Nationalpark

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