#angepeilt 2°49’N – 104°11’O

#angepeilt 2°49’N – 104°11’O

Die Entscheidung war gefallen. Wir wollten uns auf den Flug machen, gleich, nach einer kleinen Weile. Ich war erstaunt über Gyps Hilfsbereitschaft. Er hatte sich nicht mehr über den Zustand von Pi ausgelassen, die sich nun doch wieder etwas erfangen hatte. Den kurzen Anflug auf die Mauer unter dem Dachvorsprung schaffte sie wieder und auch das Futter schien ihr zu schmecken. Trotzdem war ich besorgt, wie sollte die Reise gelingen unter diesen Vorzeichen. Ich hockte mich zu Pi und hörte mir ihre Gesänge an. Unverständlich für mich, kou huuuu u up, dann wieder ruhugu gugu, rugguh gugu, oder ganz aufgeregt, chrrai. Am liebsten hörte ich ihr Einschläferndes tur-turrrr. Ich kraulte sie am kahlen Kopf und zupfte ihre Federn behutsam zurecht. «Bin bald zurück «, versprach ich und gab ihr noch einen Stups, bevor ich mich zu Gyps Horst aufmachte. «Hey, Kleiner», rief er mir entgegen, «da, setz dich an den Rand». Er ließ sich bei seiner Federpflege durch mich nicht stören. «Wann geht’s los? Weißt du schon wie und welche Route wir fliegen werden», fragte ich und sah ihn von unten an. Seine Schwingen hatte er imposant abgespreizt, um sie dann sorgfältig gereinigt und gewissenhaft wieder in Ruheposition zu bringen. «Hach, wir fliegen! Ich fliege, und ihr seid meine Passagiere. Das hast du wohl vergessen, Kleiner», belehrte er mich. «Ja, ja, ist gut, – natürlich, aber wie», äußerte ich mich und schluckte meinen Groll hinunter. Er war halt so, eingebildet und ein Allesbesserwisser, aber trotzdem ein Freund. «Morgen wollen wir starten, die Thermik verspricht Gutes, und ich habe mich gestern auch vollgefressen. Das wird für einige Tage reichen, mal schauen», ließ er mich wissen und schickte mich wieder zurück.

Flugziel: 30°50’N – 61°10’O

Es war nahe am Horror gewesen, nachdem wir unsere Behausung verlassen hatten. Die Streckenführung hatte sich als untauglich erwiesen und so mußte Gyps mehrere Zwischenstopps einlegen. Die Winde waren uns wenigstens gut gesonnen. Er konnte mit seiner Besatzung auf Windpolstern dahinsegeln. Mir war oft schlecht, speiübel sozusagen, mußte aber Pi wie eine Klammer an Gyps Rücken halten. Zeitweise hatte unser Pilot sie in seinen Fängen transportiert, was er mir auch vorwurfsvoll ankreidete. » Nix los mir dir», meinte er mehrfach abfällig. Mir hat’s gestunken. In meiner Erinnerung waren wir Passagiere auch kurz ohnmächtig geworden, zum Glück nie beide gleichzeitig. Gyps ließ sich davon nicht beirren. Nach einer langen Weile gelangten wir nach 30°50′ N und 61°10’O. Der See war ziemlich ausgetrocknet, aber noch immer gab es Wasser. Gyps hielt es für salzig, was ich nach Prüfung auch bestätigen konnte. Später wollten wir an den Damm, wo es gutes Wasser gab und dort unsere schwindenden Kräfte stärken. Gyps hatte sich aufgemacht, während ich mit Pi am Uferbereich geblieben war, um in der Nähe nach Samen zu suchen und sonstigen Angebot an Freßbarem. Pi schwächelte wieder, oder auch noch immer….. «Ich glaub› es geht zu Ende mit mir», flüsterte sie und hob ihr Köpfchen. «Nein, nein», erwiderte ich aufgewühlt. «Ich bin soooo müde. Mir macht das Ende keine Angst mehr. Hier, bei dir, empfinde ich kein Entsetzen wie damals, als ich durch den Feuerball flog und auch als mich später eine Kugel streifte. Ich will nun ein wenig schlafen», säuselte sie kaum verständlich. Sie gurrte sich in den Schlaf, während ich Wache hielt und überlegte. Als Gyps zurückkam war er satt, doch den kurzen Flug zum Damm könnte er gerade noch schaffen, so meinte er. Pi schlief noch immer. Ich war mit der Lage nicht einverstanden: Nahrung am See, aber kein Trinkwasser. Von wegen Erholung! «Jammer nicht rum», wies mich Gyps zurecht, «wird schon, los.» Pi war kaum wachzukriegen, aber schließlich packten wir uns auf unseren Flieger. Gyps startete verzögert und mit Schwierigkeiten, drehte sich hoch, und kurz danach mußten wir schon wieder runter. Fast eine Bruchlandung legte er hin, aber geschafft. Die Sonne verschwand und Sand wehte über Land. Pi und ich suchten Deckung unter einem grünen Blätterdach. Gyps hatte es sich in einer geschützten Sitzwarte am Fels bequem gemacht. «Also dann bis morgen, ich werde euch abholen. Vielleicht fliegen wir weiter, wenn die Thermik paßt», mit dieser Auskunft ließ er uns alllein.

Am Morgen war die Luft schon warm und ich räkelte mich. Unser angepeiltes Ziel ganz im Südosten <2°49’N – 104°11’O> werden wir wohl nicht erreichen, das war mir bewußt geworden. Nun ja, es war so eine gewisse Ahnung, die mich befiel. Das war sowieso eine Schnapsidee gewesen, ich wußte nicht einmal von wem. Der Flug bis hierher war nur von Problemen belastet gewesen. Hier gingen diese Probleme weiter. Ich stupste Pi an, einmal, zweimal. «Ausgeschlafen…», raunte ich, doch sie rührte sich nicht. Ich zwickte sie am Hals, keine Reaktion. Panisch zerrte ich an ihren Flügeln. Sie fühlte sich kalt an und ihr Atem war nicht zu spüren. Ich schrie auf, immer wieder und wieder… Als Gyps eintraf, versetzte er mir zuerst einen rüden Stoß, «du schreist als würde dir die Kehle umgedreht, shut uppppp, Klappe», donnerte er. Ich war neben mir, so kannte ich mich gar nicht. Eine unheimliche Wut stieg in mir hoch. «Was ist los, Kleiner», fragte Gyps. «Sie ist geendet«, preßte ich hervor und deutete auf Pi. «Also doch, – was anderes hätte mich gewundert…», dabei sah er mich an, sprach aber dann nicht mehr weiter. Später hockten wir nebeneinander und er tröstete mich in seiner rauhen Art. Ich wollte aber gar nicht getröstet werden. Ich hatte eine Stinkwut auf die Zweibeiner, die Fallout und Feuerball zulassen und nichts dagegentun. Wir brachten Pi hoch in die Berge.In einer Felsspalte versteckten wir sie und Gyps legte noch einen Stein davor, auf meinen Wunsch hin. In meine Wut mischte sich auch Traurigkeit. Gyps wirkte abgeklärt und machte Pläne wie es weitergehen sollte.

Doch er war etwas verpeilt und wir wollten wwwpunkt befragen. Mir war’s recht, Hauptsache hier weg. Nach Osten sollte es nicht mehr gehen.
«Da gibt’s nur Dicklofenakkakfleisch, ätzend!!! Wenn ich sowas hinunterschlinge bin ich auch zu ende, Kleiner,» erklärte Gyps und ich?, – ich konnte die geänderte Routenplanung nur befürworten. Da war ich auch egoistisch!

Und weiter geht’s auf www.weltenquerung.de/gyps-die-cloud-und-ich

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