Als ich Mandelkerne suchte

Als ich Mandelkerne suchte

Wir wollten uns aufmachen, und Gyps wirkte besorgt. Die Gegenden, die wir passieren mußten, schienen sehr unfreundlich zu sein. Bei seinen Berichten rülpste er immer wieder, was aber vielleicht auch auf seine letzte Mahlzeit zurückzuführen war. «Wirst sehen, Kleiner, ödes Land, die Fische haben schon damit begonnen zu enden. Zweibeiner sind sowieso nur selten zu sehen und wenn, dann in dunklen, langsamen Karawanen. Mit unserem Proviant ist es auch schlecht bestellt», dabei gurgelte er vor sich hin. «Ich schaff› das schon», meinte ich dazu, konnte mir auch trotz seines Berichtes nichts darunter vorstellen. Zweibeinerkarawanen, was sollte das sein? Ich kannte nur die Vierbeiner mit ihren Höckern, die durch den Sand so komisch wiegend dahinstapften, dazumal. «Aber warum diese Karawanen?», fragte ich nach «wohin wollen sie denn?? , haben doch alle ein Zuhause, irgendwo…».Gyps unterbrach mich wirsch, «du hast ja keine Ahnung was da abgeht. Da kann keiner leben, alles verseucht und verdreckt, b-prr, und für mich nicht genießbar. Die Zweibeiner haben ihre Mandelkerne ver-g-essen, oder was weiß ich, verloren.» Wieder rülpste er und ich machte mir darüber nun schon Sorgen. In Flugposition wäre das für mich als Passagier mitunter sehr gefährlich. Hoffentlich gibt’s sich bis zum Abflug. Gyps war noch mit seiner Routenplanung beschäftigt, GPS-Tracking und im Wwwpunkt, als ich zu meinem Schlafplatz flog. Nach Mega wollte ich ihn auch einmal fragen, hatte es schon ganz vergessen.

Frühmorgens waren wir aufgebrochen und die Winde trugen uns perfekt. Gyps Rülpserei hatte sich auch gelegt, war wohl nur eine Verstimmung. Meine Sicht und Ausblick waren eingeschränkt. Ich mußte mich dicht an Gyps drängen und in seinen Federn verstecken, um nicht von den Winden erfaßt zu werden. Er hingegen genoß die Thermik und segelte wie ein Weltmeister. Graue Schleier behinderten zunehmend unsere Sicht und es stank penetrant. Meine Augen brannten und ich hoffte auf Gyps Durchhaltevermögen. Er drehte sich höher und höher, doch die stinkenden Wolken verfolgten uns. Ich klammerte mich fest mit meinen Krallen und Schnabel. Hoffentlich, hoffentlich werde ich nicht ohnmächtig. Was für eine Sauerei, entschuldigt liebe Schweine. Ich wollte wieder Luft zum atmen. Gyps legte einen Zahn zu, er hatte doch noch Kraft. Mit dem Turbo im Thermikschlauch schienen wir es zu schaffen. Was für ein Glück, als wir in freundlicheren Gefilden landeten. Wir beide hüstelten vor uns hin im Wechsel mit Schnappatmung. Die Gegend um uns war nun grün, doch sie bot, weder für Gyps noch für mich, Deckung. Vierbeiner grasten und ließen sich’s gut gehen. Wir verstecken uns hinter einer Kuppe und wollten etwas abwarten, fit waren wir beide nun ja auch noch nicht. Ich zupfte mir ein paar Gräser, doch für Gyps gab es nichts. Ach ja, Wasser gab’s in mancher Pfütze, und das war schon auch ein Hauptgewinn nach diesem irren Flug.

«Frag doch einmal Wwwpunkt», meinte ich heiser, «wohin soll’s noch gehen?» «Weiß’schon, weiß’schon», krächzte er,»ich hab› das schon auf meinen Radar, hach!» Nun fing er auch noch an zu würgen und stieß befremdliche Laute aus. «Nicht weit von hier, da will ich noch heute hin», damit war das Signal für den Aufbruch gegeben, doch vorher vollführte er noch einige seiner gymnastischen Übungen. Das fand ich auch gut, schließlich war der heutige Flug schon sehr besonders gewesen. Gyps mußte weiter flugtauglich bleiben.

Was für eine coole Gegend, ich war einfach nur happy über unseren neuen Stützpunkt. Gyps würde an den Bergen, zugegeben, die sind nicht sehr hoch und nicht besonders felsig, also er würde sicher eine Schlafplatz finden. Ich habe auch schon einen angepeilt, gleich neben dem Fluß. Ach, ist das schön, wieder einmal chillen. «Also, bis morgen», meinte er noch beiläufig,»wird wohl etwas später werden. Ich brauch› was in meinen Bauch. Und noch was, trinke kein Wasser aus dem Fluß!!! Ich muß erst checken ob…» Ich unterbrach ihn, «sieht doch gut und klar aus, was soll schon sein.» Gyps baute sich vor mir auf und sein Augenlid schwoll an. «Ist o.kai, o.kai, alles gut. Ich halt mich d’ran. Also bis morgen», erwiderte ich und suchte mir meinen Schlafplatz, gut getarnt, im Geäst.

Am nächsten Tag suchte ich in der Nähe des Flusses nach einer Bademöglichkeit, die ich an einem seichten Teich schnell fand. Das war eine super Sache nach langer Entbehrung! Ich schüttelte das Wasser aus meinen Federn und setzte mich hoch oben auf den Baum, um in der Sonne zu trocknen, dabei sinnierte ich über die von Gyps erwähnten Mandelkerne. Wenn die Kerne von den Zweibeinern nicht mehr gebraucht würden, so dachte ich, müßte ich doch einige finden. Sicher würden sie lecker schmecken. Ich machte mich vorsichtig ausspähend auf Erkundungsflug in Richtung der Behausungen hinter den Feldern. Immer wieder suchte ich Deckung, um nicht von allerlei Bewohnern entdeckt zu werden. Von weitem hörte ich schon unbekannte Geräusche, ziemlich laut schreiend und durcheinander. Am Rande eines Platzes entdeckte ich Früchte, die gestapelt am Boden lagen. Ich konnte mich dahinter verstecken und hackte mir aus einem runden grünlichen Ball einige süße Stücke heraus. Himmlisch! Als mich eine einheimische bellende Truppe entdeckte war es damit aus. Wütend und geifernd kamen sie auf mich zu, und ich suchte schleunigst das Weite. Diese Zeitgenossen waren eine richtige Plage. Gefiederte Bewohner konnte ich noch eingesperrt unter mir sehen, als ich meinen Rundflug beendete. An den Feldern suchte ich Deckung hinter einem Zaun und versorgte mich ausgiebig mit Körnern und was ich sonst so fand. Mandelkerne wären zu schön gewesen, aber keine Chance sie zu entdecken. Auf meinem Baum hielt ich ein Mittagsschläfchen und träumte. Als ich erwachte war Gyps noch immer nicht hier.

Die Sonne verlor schon ihre Kraft, als Gyps endlich eintraf, und schon wieder rülpste er. «Ich hab› so viel gefressen, mir ist schlecht», und entschuldigend fügte er hinzu, «sorry, war dir langweilig?» «Nein», meinte ich und erzählte freudig von meinem Erkundungsflug und der Suche nach Mandelkernen, die ich ja leider nicht gefunden hatte. Gyps hopste hin und her, seinen eleganten Stepptanz schaffte er aufgrund seines vollen Magens nicht. Unverständliches Gekreische setzte ein und für mich kaum verständliche Wortfetzen verunsicherten mich zusätzlich. «Was ist daran falsch, erklär› mir was ist daran falsch», forderte ich ihn auf. Es dauerte eine Weile bis ich Klarheit bekam. «Ich zeig› dir im Wwwpunkt was es mit dieser Art von Mandelkern, oder Amygdala, auf sich hat. Der würde mir schmecken, aber dir bestimmt nicht, Vollpfosten, dummer», mokierte er sich überheblich. Ich fühlte mich ganz klein und traurig, nahm aber meinen verbliebenen Mut zusammen und fauchte ihn, so gut ich konnte, an, «was du gesagt hast finde ich echt schei…, ein Nogo zwischen Freunden, was bildest du dir ein, Gyps Oberschlau?» Er wirkte betroffen, als er sich entschuldigte, «ja, hast recht, tut mir leid. Ich werd› es dir erklären, demnächst.» Seinen kahlen Hals zog er schuldbewußt ein und versenkte ihn zwischen seinen Federn. Das war für mich ein Zeichen, daß er es mit seiner Entschuldigung ernst meinte. Also wartete ich auf seine Erklärungen in den nächsten Tagen, heute waren wir beide mit Verdauung beschäftigt. Versöhnt verabschiedeten wir uns voneinander. «Komm› morgen nicht so spät», schrie ich ihm noch hinterher, unsicher ob er das noch hörte.

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