Zwischen Beijing und Osaka 1.Teil
Tage auf Olchon
Serge – rituelle Pferdepfähle die den Heiligen Bereich abgrenzen
Einen Handkoffer und einen Rucksack ließen wir am nächsten Morgen im Hostel unter Verschluß und warteten mit unseren zwei anderen Gepäckstücken auf den Minibus, der uns in ungefähr 7 Stunden nach Chuschir auf die Insel Olchon bringen sollte. Der Kleinbus hatte seine besten Tage hinter sich. Hervorstechend an der Innenausstattung waren die brokatartigen Vorhänge, die als Schabraken mit Quastenfransen drapiert waren. Wir waren die zuletzt eingesammelten Fahrgäste. Zwei Plätze mit dem Rücken zum «Fahrercockpit» wurden uns zugewiesen, gleich neben der Schiebetür. Gute Plätze, wie sich herausstellen sollte. Unser Gepäck wurde auf dem Dach fixiert, mit einer Plane abgedeckt und nochmals festgebunden. Fünf junge Litauer belegten die Plätze im hinteren und mittleren Bereich des Busses. Unsgegenüber saß ein Paar aus Finnland und auf dem Not-Notsitzen saß ein Paar aus London, seitlich, hinter dem Fahrer. Sie hatten keinen Platz für die Beine. Eine Russin mittleren Alters komplettierte als Beifahrerin die Fahrgemeinschaft. Es ging los. Ich konzentrierte mich auf das Sitzen. Erster Halt: Fahrer lädt Gemüse ein. Zweiter Halt: Familie holt Gemüse am Straßenrand ab. Dritter Halt: Tankpause und Toilettengang. Vierter Halt: Mittagspause mit Toilettengang. Vor dem kleinen Restaurant tollten einige junge Hunde herum und wählten den schlaksigen Londoner aus, nach dem Motto: spiel mit uns! Leider konnte oder wollte er diesem Treiben nichts abgewinnen, sondern tänzelte zurück und hielt die Hände an seinen Körper. Abwehrstellung! Jetzt ging es richtig los, dieses Spiel, – immer zwischen den Schritt mit den Schnauzen. Finnisches Eingreifen machte dem Spuk ein Ende und die übermütige Meute verschwand. Auf der weiteren Fahrt schliefen zuerst die Litauer ein. Ihre Köpfe, nein ihre Körper, wiegten sich im, durch die Straße vorgegebenen, Takt und die Goldkordeln rings an den Fenstern zappelten mit. Nächster Halt war an der Fähre und wieder das Angebot: Toilettengang. Ich dachte an den ersten Toilettenhalt, den ich vergessen wollte. Für empfindliche Wesen ist folgende Beschreibung nicht geeignet: Ich betrat ein gemauertes Häuschen mit verschließbarer Türe und einem unsichtbaren Boden, Beton?, mit einem ausgefransten Loch in der Mitte circa 30-40cm im Durchmesser. Zwei dickere Holzpfosten lagen unverrrückbar in der Masse von Unrat, Exkrementen, Hygieneartikel und Müll. Unter im Loch sah es ähnlich aus. Eine gewisse Sportlichkeit war bei Benützung hilfreich. Nichts wie raus!
Nach einer längeren Wartezeit und einer Tasse Tee in einem kleinen Lokal wagten wir die Überfahrt. Das Auto hatten wir verlassen müssen, so suchten wir Schutz vor den eisigen Wind, der uns um die Ohren blies. Nach der Ankunft wurden wir zur «Registrierung» geschleust. Albrecht erledigte das Finanzielle, pro Nase 300.- Rubel waren zu zahlen, dafür erhielt ich ein Blatt, eines! auf dem die Registrieung für Schulmeiss zweimal, 2x, bescheinigt wurde. Sehr seltsam! In Chuschir wurden zuerst die Litauer abgeliefert. Unsere Unterkunft lag eine Straße weiter und auf das Klingeln am hohen Gartentor öffnete Vera. Wir waren angekommen. ~Folgende Bilder zeigen unsere Unterkunft in Chuschir~.
Vera empfing uns herzlich und zeigte uns ihr Reich. Albrechts Russischkenntnisse kamen zum Einsatz. Im Überblick: Toilettenhäuschen im hinteren Teil des Gartens nach dem Kartoffelfeld, ungefähr 40 Metter von uns zu gehen. Luxuriös im Vergleich zu meinen Erfahrungen an der Fähre. Wasser gab es tagsüber nur kalt und draußen an der Zinkwanne, abends wurde die Banja geheizt, herrlich. Außerdem gab es noch ein Haus mit Küche und großem, gemütlichen Eßraum für die Gäste. Unser Zimmer war in einem der nachträglich gebauten Holzhäuschen untergebracht, mit eigenem Zugang und Elektroheizung.In einem Reiseführer hatten wir die Internetadresse gefunden und bei Igor dem Hausherrn, privat reserviert.
Albrechts abgelegte Erkältung hatte nun mich erreicht, ein Herpesalarm führte erfreulicherweise nicht zum Ausbruch. Nun gilt bei Russen öffentliches Naseputzen als ekelhaft, daher hatte ich mir Hausarrest verordnet und nahm nicht an der Schifffahrt auf dem See, dem kleinen Meer, teil. Albrecht wurde von Katja, der Tochter des Hauses, die auch englisch sprach, zur Abfahrtsstelle am Hafen begleitet. Das Angebot umfaßte einen Ganztagesausflug mit Essen, Besuch einer Insel mit Stupa und einem Landgang am gegenüberliegenden Festlandufer zu einer heiligen Quelle. Es war ein herrlicher sonniger Tag und ich machte mich auf zum Supermarkt, ein Taschentuch verschämt im Ärmel. Zurück mit meinen Einkäufen schien es mir möglich, doch den Tag außer Haus zu verbringen. Ich machte mich auf in Richtung Schamanenfelsen.
Schamanenfelsen
Erste Funde deuten auf eine Besiedlung bereits in der Steinzeit hin, auch weiß man heute, daß bereits im 11. und 12. Jh. dort Burjaten siedelten. Legenden ranken sich um die Zeit als Chingis-Khan an der Macht war. Russen siedelten im 17. Jh. auf der Insel Olchon. Der Schamanismus hat Stalins Repressionen überdauert, sich christlicher Missionierung und auch dem Einfluß von buddhistischen Lamas widersetzt. Der Schamanenfelsen gilt als Wohnort des Gottes Khan Choto-Babai. Seine Macht dehnt sich über die ganze Insel aus. Nach alten Quellen gehört er zu den bösen Göttern. In der Nähe des Felsen wurden in früheren Zeiten die Hufe der Pferde umwickelt, um den Gott nicht zu erzürnen. Chuschir, der Ort, entstand erst in den Jahren nach 1920, da kein Burjate in der Nähe des Felsens siedeln wollte. Heute leben viele Russen hier und der Ort ist übersichtlich, obwohl er sozusagen das Zentrum der Insel ist. Die Straßen sind mehr oder weniger Sandpisten. Kühe grasen auf den Wiesen am Ortsrand. Wenn ihre Euter zu schwer werden gehen sie nach Hause, um vor dem Gartentor zu muhen, damit sie gemolken werden. Milch , Moloko, wird zum Verkauf auf kleinen Plakaten angeboten.
Mein Weg führte mich durch den Ort, hinauf auf den Hügel über dessen kuppenartigen Gipfel die Möwen kreisten. Sandstrand, Dünen und kaum Menschen – die Natur fing mich ein und ließ mich teilhaben an dieser Einzigartigkeit. Der Weg führte hinüber zu den rituellen Pferdepfählen, die den heiligen Bezirk abgrenzten. Weidende und wiederkäuende Kühe hatten sich hier breitgemacht. Den Blick von oben auf die sichelförmige Bucht und den Felsen teilte ich mit anderen Menschen. Viele Russen berichteten von einem starken energetischen Feld. Ich bin nicht zur Bucht hinabgestiegen, aus Respekt, oder-, ich weiß es nicht. Auf einem anderen Weg ging ich zu unserer Unterkunft zurück. Meine Erkältung hatte sich gebessert. Müde schlief ich im Zimmer ein. Als ich wieder erwachte regnete es stark, der Himmel war dunkel und der Wind fegte über den Hof. Veras Hund verkroch sich, – und Albrecht war auf See! Inzwischen war das Unwetter zu einem Gewitter ausgeartet. Es war Zeit für das Abendessen. Vera hatte Omul gebraten, einen Fisch den es nur im Baikalsee gibt. Igor, Veras Mann, kam nach Hause. Er bot Ausflüge auf der Insel an und hatte seinen Beruf als Fischer an den Nagel gehängt. Der Verdienst als Fischer, so sagte er, würde kaum zum Leben reichen. So haben er und Vera auf Tourismus gesetzt. Auf meine besorgten Fragen wegen des Wetters und Albrechts Verspätung reagierte er mit flatterhaften Bewegungen und lachte. «Ist normal, ist normal», meinte er in gebrochenem Deutsch. Schlingerndes Boot, abstürzendes Flugzeug…
Endlich, mit einer Stunde Verspätung kam Albrecht wohlbehalten an und erzählte von seiner Odyssee und dem Gewitter, das sich glücklicherweise nicht über dem See austobte, sondern am anderen Festlandufer..
Die restlichen Tage waren Tage der Erholung und des Kräftetankens für die bevorstehenden Fahrten. Auf der Fahrt zurück nach Irkutsk waren wir einem Verkehrsrowdy ausgeliefert. Der Kleinbus war überladen mit zusätzlich zwei jungen Frauen, die unser Fahrer, so schien es, auf eigene Rechnung mitnahm. Er hatte sie nach unserer Fährfahrt im Irgendwo einsteigen lassen. Auf Klappsitzen hinten, eigentlich für Gepäck gedacht, saßen schlußendlich vier Personen. In Irkutsk warf er uns alle mehr oder weniger aus dem Kleinbus, schnippte mit den Fingern in eine Richtung und maulte, «peschkom». Was soviel hieß wie , «geht zu Fuß!» Unsere russischen Mitreisenden, außerdem war noch eine Großfamilie aus Frankreich an «Bord», zeigten uns auf dem Stadtplan wo wir uns befanden. Nach Klärung suchten wir schnell das Weite. Wir befanden uns auf dem größten Markt von Irkutsk mit entsprechendem Gedränge. Über die ul. Fur’ye, –hat nichts mit Furie zu tun sondern mit dem Physiker Jean B.Fourier,- fanden wir dann auch zu unserem Hostel in der ul. Zhelyabova –peschkom– zurück.
Im Teil 2 geht’s weiter….https://www.weltenquerung.de/2019/06/10/zwischen-beijing-und-osaka-2-teil/