Zwischen Beijing und Osaka 2.Teil
Mythos Transsib – «Dawai»
Zwei Tage verbrachten wir nach unserer Rückkehr von Olchon noch in Irkutsk. In der ul. Liebknechta warteten so manche der alten Holzhäuser auf die Instandsetzung. Das marode Holz war teilweise dem Verfall preisgegeben, aber auch der Einbau von Thermofenstern, ohne fachgerechte Renovierung und Dämmung, könnte das noch beschleunigen. Eine sanitäre Ausstattung war in früheren Zeiten nicht vorhanden und heute werden die Häuser nur noch von Alten und Armen bewohnt. Manch ein Haus war jedoch saniert und spiegelte die Bedeutung der ehemaligen Handelsstadt wieder, ebenso die gut erhaltenen und auf Vordermann gebrachten Kaufmannsvillen Ein Spaziergang entlang der ul. Karla Marxa, vorbei an edlen Geschäften, bis an das Ufer der Angara endete im Platzregen mit Hagelschauern. Die Angara ist der einzige Abfluß des Baikalsees und mündet in den Jenissei. Wir stimmten uns auf die Zugfahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn ein, kurz Transsib genannt.
Nach der nunmehr zweiten Nacht in Irkutsk bestiegen wir um 7h50 den Zug Rossija 2.
Was uns schon auf der mongolischen Route aufgefallen war, herrschte auch hier Sauberkeit. Zwei freundliche Begleiterinnen betreuten unseren Waggon. Im Gang wurde ein langer Teppich ausgerollt, sollte wohl den darunter liegenden schützen. In regelmäßigen Abständen wurden Teile der Verkleidung mit einer nach Desinfektionmittel riechenden Lösung gewischt und auch die Toiletten waren blitzsauber. Gegenüber vom Dienstabteil brummte und summte der Samowar. Jederzeit gab es daher dampfend-heißes Wasser für Tee, Istant-Gerichte, Kaffee… , auch verschiedene Süßigkeiten wurden angeboten. Wir belegten unsere Plätze, Albrecht über mir und ich im unteren «Bett». Für das Gepäck war ausreichend Platz vorhanden, obwohl wir es etwas quetschen mußten. Mit harten Schalenkoffern hätten wir Probleme bekommen.
Eine uns schon vertraute Landschaft zog vorüber. Manchmal, ganz in Gedanken versunken, sah ich hinaus. In meinem Kopf fanden sich Bilder aus Anna Karenina, Doktor Schiwago, die mit den vorbeiziehenden Bildern verschmolzen. Andere Eindrücke überrraschten, z. B. Gerüste, einige Meter vor Durchfahrten, die dem LKW-Fahrer anzeigten ob er durchkommt oder eventuell auch steckenbleiben würde. Bis Ulan Ude waren wir allein im Abteil, dann kam Rose, wieder ein Glücksfall. Sie hatte ihre Schwester und Familie besucht und war nun auf dem Weg nach Hause, nach Wladiwostok. Albrecht und Rose wechselten sich mit dem Blättern im Wörterbuch ab und klamüserten nach einzelnen Vokabeln. So entstand ein fröhlicher Austausch. Ein russisches Volkslied, ausdruckstark von ihrer Schwester, einer Opernsängerin, vorgetragen, spielte Rose auf ihrem Handy ab. Ich staunte. Albrecht mußte auf meine Nachfragen auch einiges übersetzen, doch meist hörte ich den beiden einfach nur zu. Geschichten von Haien vor Wladiwostok, fehlenden Enkelkindern und Besuch in St. Petersburg. Als die Themen erschöpft waren lösten beide Sodoku und ich begann mit meinen Japanroman, «Gefährliche Geliebte» von Haruki Murakami aus dem Jahr 1992.
Unterwegs mit der Transibirischen Eisenbahn
Abends nach der Katzenwäsche im schlingernden Zug las ich noch bei kleiner Beleuchtung. Die Melodie der Eisenbahn auf den alten Schienen schläferte mich ein. Dieser wiederkehrende Klang kann in Europa seit 50 Jahren nicht mehr gehört werden, wie mir Albrecht versicherte. Ich war’s zufrieden, endlich war dieser Traum in Erfüllung gegangen. Am nächsten Tag gönnten wir uns einen Besuch im Speisewaggon. Albrecht bestellte sich «sizilianisches Schnitzel» , ich etwas Unaussprechliches. Beides schmeckte gut. Ein Blick durch die offene Küchentür zeigte den kochenden Koch; was ja heute keine Selbstverständlichkeit ist. Hinter der Küche, so hatte ich gelesen, meist das Fenster einer Waggontüre offen. So war es auch und ich konnte meine Nase in den Fahrtwind halten.
Wälder zogen vorbei, die Taiga, Flüsse, wieder Taiga, – im Gleichklang ratterte der Zug in den Abend und wieder in die Nacht. Am nächsten Morgen war die Landschaft flacher und weniger bewaldet. Wir befanden uns im Fernen Osten, Dalnivostok. An manchenBahnhöfen legte der Zug auch längere Stopps ein und ermöglichte den Einkauf von Eßbarem.