Zwischen Beijing und Osaka 2.Teil

Zwischen Beijing und Osaka 2.Teil

Wladiwostok, «Bolaven» und die Reiseplanänderung

Nummer 008 /Abteil

Auf der Nachfahrt mit dem Zug Nummer 008 von Chabarowsk nach Wladiwostok zog ich mir an der Stirn eine Beule zu. Das Abteil war um Klassen schlechter als unsere bisherigen. Mit Personal und Sauberkeit stand es ebenso. Glück hatten wir wieder mit unserer Abteilgenossin. Sie war Ärztin und bei einer staatlichen Gutachterstelle beschäftigt. Es ergab sich ein kürzeres Gespräch zwischen Albrecht und ihr, auch wieder unter Zuhilfenahme des Wörterbuches. Irgendwann nachts hatte sie ihr Ziel erreicht und stieg aus. Eine junge Russin ohne Kommunikationsbedürfnis, – wie auch – , mitten in der Nacht, kam hinzu. Sie schlief bald ein, während ich noch lange wach lag. Unausgeschlafen kam ich in Wladiwostok an, der Endstation der Transsib. Albrecht schien besser geschlafen zu haben.

Nach längerem Hin und Her fanden wir doch noch einen Taxifahrer der uns zu einem annehmbaren Preis zu unserem Hotel, zwei Straßen weiter, brachte. Das Zimmer war natürlich noch nicht beziehbar und ich schlief fast auf dem Sofa in der Lobby ein. Glücklicherweise hatte das Warten gegen 11h ein Ende.

Wladiwostok war für lange Zeit eine verbotene Stadt, für Ausländer sowieso und auch für viele Russen. Und nun ?, – nun saßen wir am nächsten Morgen gemeinsam mit russischen Marineoffizieren im Frühstücksraum. Schön ist die Stadt nicht, Baustellen überall, – und wie es schien wird ohne Gesamtkonzept gebaut. Die schönsten Gebäude waren der Bahnhof und das historische Warenhaus mit Jugendstilornamenten der Kaufleute Kunst&Albers. Leider «zierten» Gerüste die Außenfassaden.

Wir wollten diese Institution einer vergangenen Zeit nicht nur besichtigen, sondern wollten auch etwas kaufen. Unsere Wäsche war schon wieder mehrfach gewendet, daher erstand Albrecht ein Hemd und ein T-shirt. Wir streunten dann weiter in der Stdt herum.

Der im Reiseführer beschriebene Strand entpuppte sich als Platz für Obdachlose und in seiner Länge unterbrochen von Baustellen. Im Hafengebäude, das neben dem Bahnhof liegt, informierten wir uns über die gebuchte Schiffspassage und sahen auch unsere Fähre «Eastern Dream» am Pier liegen. Die Ladung, Baumaschinen aus Japan, wurde gelöscht.

Reiseschecks waren, wie wir feststellen mußten, ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Wir beschlossen solche auch nie mehr wieder auf Reisen mitzunehmen. Als wir endlich eine Bank gefunden hatten, beschäftigten wir dort einen Trupp von Angestellten mit der Einlösung unserer Schecks im Wert von US$ 300.-, – alles bei entspannter Atmosphäre. Manch Einer schien zum ersten Mal derartige Schecks zu sehen.

Unsere Fähre

Das Wetter versprach mir nichts Gutes, der Himmel grollte und war bedeckt. Sturm kam auf und es begann zu regnen. Abends verstärkten sich die Windboen, sie heulten um die Häuser und zerrten an den Baumwipfeln in unserer Straße. Ich sah sorgenvoll aus dem Fenster. Ein Taifun hatte in Korea gewütet und das Meer in Aufruhr gebracht. Er hatte auch Japan nicht verschont, wie wir aus den Nachrichten erfahren hatten. In der Lobby bot ein Fernseher die nötigen Informationen. Albrecht war weniger besorgt. Er war überzeugt, daß die Fähre morgen, den 29. August, ablegen würde.

Eastern Dream

Es war der 30. August

Einen Tag später als geplant konnte die Fähre endlich ablegen. «Bolavan» hatte unse Reisepläne durcheinander gewirbelt. Zwei Stunden hatte ich am Vortag auf der Post in Wladiwostok verbracht, um im Internet unsere Reiseroute abzuändern, Unterkünfte zu canceln, neu zu buchen , und so weiter. Albrecht war dabei der Prellbock der zunehmend verärgerten Postbeamtin. Mehrfach erschien für mich unleserliche, kyrillische Schrift, was die Hilfe der Beamtin erforderlich machte. doch endlich hatten wir begriffen: «wchod» (Zugang) war das Schlüsselwort. Mit den Computerausdrucken hatten wir dann das Postamt verlassen und wieder unser Hotelzimmer bezogen. Albrecht hatte uns bereits vor unseren «Postaufenthalt» für eine weitere Nacht persönlich angemeldet, und wir waren mit viel Glück nochmals für eine Nacht aufgenommen worden. Wegen des Taifuns waren die Unterkünfte teilweise überfüllt.

Endlich verließ die Fähre den Hafen. An Bord waren überwiegend Russen, einige Asiaten und auch noch andere «Sorten» und Nationalitäten von Reisenden. Auch «unseren» Fahrradfahrer aus Deutschland trafen wir wieder an Bord. Ihn hatten wir am Vortag im Postamt kennengelernt. Auf seinem Fahrrad mit Anhänger und Warndreieck war er durch Sibirien in Richtung Osten gefahren, hatte zuletzt auf dem Balkon der Jugendherberge in Wladiwostok geschlafen und litt nun unter Übelkeit. Vermutlich war die «frische» Auster, so meinte er, die Ursache. Er hatte sie am Strand einer der Leuchtturminseln gefunden und gegessen. Die See war noch rauh und wir verlegten unseren Aufenthalt in das Innere. Unsere Kabine (Standard A) war geräumig, 8 Plätze, d.h. 4 Etagenbetten, die breiten Kojen ähnelten. Vorhänge garantierten Privatsphäre für die nächsten beiden Nächte. Über Albrecht bezog «der verrückte Australier» seinen Schlafplatz. Er fiel dann in der ersten Nacht aus dem Bett und erschreckte die gesamte Reisegemeinschaft. Passiert war dann weiter nichts.

Am nächsten Morgen weiterhin rauhe See. Die Fähre steuerte Donghae in Südkorea an. Alle Passagiere mußten von Bord und in Süd-Korea «einreisen». Vier Stunden dauerte dieser Aufenthalt, den ich für ein Telefonat mit einem unserer Ansprechpartner in Japan nutzte. Nur mit Hilfe der Verkäuferin der Telefonkarte war mir das möglich. Diese Karte konnte nur in einer Telefonzelle außerhalb des Gebäudes genutzt werden. Schlußendlich klappte die Verbindung und ich erhielt die mündliche Bestätigung meiner Email, Zusage von Hinterlegung/Rückgabe von Zugfahrkarten und organisatorische Änderungen, – und so weiter. Ich war anschließend beruhigt und sah unserer Ankunft in Japan entspannt entgegen.

Wir wechselten unsere restlichen Rubel in Won. Auf der Fähre wurden keine Rubel akzeptiert, außer Won nur Yen oder US$. Bei der «Ausreise» stellten die Zollbeamten unser Frühstücksmesser «Schweizer Art» sicher. Es sollte unter Verschluß bleiben bis zu unserer Einreise in Japan. Nun gut, das zweite Messer war an Bord geblieben. Wenige neue Passagiere waren hinzugekommen, aber etliche in Süd-Korea geblieben. Viele Russen machen in Süd-Korea Urlaub oder arbeiten dort. Russen, mit denen wir ins Gespräch kamen, waren auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle in Japan oder lebten dort schon längere Zeit.

In der zweiten Nacht fiel niemand aus dem Bett. Für den nächsten Morgen hatten wir uns Frühstücksbons besorgt. Ich mußte mich erst einmal sortieren, als ich Buffet stand. Riesige Auswahl, aber kein Kaffee und kein Tee. Mein Frühstück setzte sich dann aus Suppe, Reis mit gegartem Gemüse und süßlichen Brötchen zusammen. Ich hatte schon Schlimmeres erlebt.

Land in Sicht, die Fahrt durch das Japanische Meer neigte sich dem Ende zu. Im Hafen von Sakaiminato trennten sich die Wege der Passagiere. Ein Shuttlebus der Reederei brachte uns zum Bahnhof in Sakaiminato, wo wir kurz entschlossen (mit Fahrkarten) in den Vorort-Zug nach Yonago stiegen.

Mädchenpower im Zug nach Yonago
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