Go east # Ukraine

Go east # Ukraine

Der Bahnhof in Lviv war Endstation unserer Busfahrt aus Rzeszow in Polen. Da seit der Grenze die Toiletten im Bus aus unerfindlichen Gründen nicht mehr zu benützen waren, suchten wir im beeindruckenden Bahnhofsgebäude die stillen Örtchen, – Haupthalle: Männer links und Frauen rechts. Doch die Örtchen waren mittags um 12 h 05 tatsächlich still. Geschlossen wegen Mittagspause? Also bitte nach Möglichkeit nicht zu dieser Zeit anreisen….

Im gecharterten Taxi ging es in Richtung Unterkunft, die wir über ein Portal gebucht hatten. Auf meinen Anruf hin meldete sich sogleich eine englischsprechende Frau. Vor unserer Ferienwohnung wurden wir auch schon erwartet, doch nicht von unserer telefonischen Kontaktperson. Die nun analoge junge Ukrainerin reichte uns ihr Handy. Die folgende Englischkommunikation erfüllte ihren Zweck und wir erfuhren alles für uns wichtige. Anschließend wurde uns die Wohnung gezeigt, ohne sprachliche Information, jedoch sehr freundlich. Von der Wohnung (A&A apartments) waren wir angenehm überrascht. Sie war modern eingerichtet und wirkte mit ihrem Erker wohnlich. Im Haus gab es vier Ferienwohnungen, die in den kommenden Tagen wechselnde Gäste hatten, ausschließlich, wie es schien, Ukrainer. Ein Minibalkon mit Sitzgelegenheit und eine gut funktionierende Klimaanlage im Wohnschlafraum ließen keine Wünsche offen. Bis hierher war uns die Hitze aus Polen gefolgt und so kühlte ich gleich den Raum auf eine angenehme Temperatur.

Albrecht war zur nächsten Bank gegangen, um Geld zu holen, da wir im Voraus und Cash zahlen mußten. Die wenigen Hryvnia – (Grivna) reichten nicht aus, die wir bei einem privaten Geldwechsler in Krakau gegen Zloty eingewechselt hatten. Nachdem wir das Finanzielle geregelt hatten,mußte er nochmal los. Zweimal um die Ecke war ein kleiner Laden. Albrecht richtete sich nach Einkaufsliste und Angebot. Das Mitgebrachte nahm ich sogleich mit in die kleine Küche. Mit dem Gasherd freundete ich mich auch noch an, um zu kochen. Alles hatte geklappt und wir ließen den ersten Lemberger- Abend gemütlich ausklingen.

In den nächsten Tagen machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Die bedeutende Historie dieser einstigen Metropole prägt noch heute durch ihre Bauten das Stadtbild. Eine lebhafte Mischung aus Jugend und geschäftigen Passanten, entspannten Alten und Touristen war unterwegs. Am Rynok, sozusagen das Wohnzimmer Lembergs, versuchten wir jeden Tag einmal in den Trubel einzutauchen. Dort befindet sich auch das serviceorientierte Touristenbüro. Wir buchten dort unseren Ausflug in den Oblast Ivano-Frankivsk.

Lytschaikiwsky Friedhof

Der bekannteste von Lvivs Friedhöfen stand, trotz der Hitze, auf meinem Programm und war den Besuch wert. Alter Baumbestand beschattet Gräber, Kapellen und Gruften. Fast wie in einem Park führen Wege an Hängen entlang und stellenweise ins Dickicht verlassener Grabstellen. An anderen Stellen liegen gepflegte Gruften von bedeutenden Männern und Frauen der Stadt, unter ihnen auch die Opernsängerin Salomea Krusnel’nyka. Die Lemberger Oper trägt ihren Namen.

Eine Straßenbahnfahrt zum Hauptbahnhof konfrontierte uns auch mit Armut. An der Ohla und Elisabethkirche stiegen wir aus. Viele Ukrainer sind orthodoxe Christen und praktizieren ihren Glauben. Der Kommunismus hatte diesen nicht ausmerzen können.

Der Svobody – Prospekt

…er endet an einem der schönsten Opernhäuser Europas.

In der Zeit von 1897 bis 1900 wurde die Oper erbaut und trägt den Namen der legendären Sopranistin Salomea Krusnel’nycka (1872-1952). In den Tiefen der Oper soll man das Rauschen des unterirdischen Flußes Pultwa hören. Heute lädt der Boulevard Svobody-Prospekt zum Flanieren ein und ist besonders an den Wochenenden ein beliebter Treffpunkt. Schachspieler werden von Umstehenden wortlos beobachtet, Familien treffen einander, ebenso Paare und Kinder laufen durch die Menge. Irgendwo wird gesungen und musiziert. Auch wir schlenderten abends unter den alten Bäumen und ließen uns von freudig-entspannter Atmosphäre anstecken.

Lviv überraschte uns jeden Tag auf’s neue. Ob es ein verwinkelter Markt war oder ein sehr gut bestückter Supermarkt mit heißer Theke, Luxusläden und immer wieder imposante Bauten, die mich in den Bann zogen. Das pulsierende Leben in der Stadt, Aufbruch und Selbstbewußtsein, beeindruckten mich.

Unsere Tage in Lemberg neigten sich dem Ende zu. Die Fahrkarten für den Train #771 nach Bratislava hatten wir uns im Stadtbüro besorgt. Das Central Train Ticket Office befindet sich in der Akademika Hnatyuka 20, einer Nebenstraße des Svobody-Prospekts. Die freundliche Schalterbeamtin bot uns ein Abteil mit drei Plätzen an, mit dem Hinweis, auch Tickets für diese drei Plätze zu buchen. Das war auch notwendig, wie sich später herausstellen sollte. Wir nahmen das Angebot an: ein Coupe zu 3x UAH 176,60 ~ 3x €56,-. Im Jahr 2017 konnte man online keine Tickets für die gesamte Strecke Lviv-Bratislava kaufen.; daher auch der Gang in’s Stadtbüro… Info zu den Verbindungen am Ende des Berichtes.

Was für ein Tag! Unsere Tour in den Oblast Ivano – Frankivsk

Gebucht hatten wir diese Tagestour im Lviver Touristenbüro, 29 Rynok sqr. Die Auswahl war uns nicht schwer gefallen. Dovbush rocks, Hoshiv Kloster und eine Fahrt mit der Carpathian Tram, – für dieses vielfältige Angebot hatten wir uns entschieden. Gemeinsam mit einer immer größer werdenen Gruppe warteten wir am pl. Halyc’ka in Sichtweite des Reiterdenkmals von König Danylos, dem Gründer der Stadt, auf den Bus. Wie wir bereits wußten, wurde diese Gruppentour von einem ukrainisch sprechenden Führer, in unserem Fall einer Führerin, geleitet. Aus dem Touristenbüro war eine englischsprechende Angestellte am Platz. Sie übergab uns mehrere ausführliche Infoblätter in englischer Sprache über die zu besuchenden Orte. Sie beruhigte uns mit dem Hinweis, «daß im Bus auch immer Gäste mit Englischkenntnissen sind, – keine Angst!». Der Bus kam pünktlich. Die Aufschriften ließen einen früheren Einsatz in Spanien vermuten. Er war noch gut erhalten, so waren wir zuversichtlich als wir einstiegen und die Fahrt in die ländlichen Gebiete des Oblast Ivano-Frankivsk begann.

Vergleichbar mit Robin Hood war Oleska Dovbush Namensgeber der imposannten Felsformationen. Das bergige Waldgebiet umfaßt ungefähr 10 Hektar.

Bei Kletterfreunden sind die steilen Wände beliebt, aber auch Camper mit ihren Zelten trafen wir an. Von Menschenhand in die Felsen gehauene Höhlen mit Feuerstellen zeugten von Besiedlung in vergangenen Zeiten. Gruppen und auch Einzelne erkundeten bei angenehm kühler Waldluft das Terrain. Wir orientierten uns an menschlichen Lauten, um den Anschluß nicht zu verlieren.

Durch eine schmale, glitschige Spalte, «Kamin», folgten wir der Hauptgruppe. Für einen Mann war da fast kein Durchkommen. Erst als er sein T-shirt auszog flutschte er gerade so durch, um nach oben zu kommen. Auch ich benötigte am Ausstieg helfende Hände, alles gut! Ein Treffpunkt mit Zeitangabe war vereinbart worden und fast alle kamen einigermaßen pünktlich an. Allesamt gingen wir Richtung Bus, der an einem Waldgasthaus geparkt hatte. Dort wurden wir schon erwartet und auch ein Hund wedelte uns freundlich entgegen. Unkompliziert wurde die Bestellung von Getränken und Essen erfragt. Wir waren auf unsere Übersetzerin angewiesen…

Inzwischen wußten wir auch wer von den Mitreisenden englisch sprechen konnte und auch verstand, die Tourleiterin war es nicht. Eine junge Frau, die wie sie erzählte, gemeinsam mit ihrem 10jährigen Sohn Englisch lernte. Er hatte diese Fremdsprache als Schulfach. Sie sprach schon sehr gut und war daher unsere auserwählte Übersetzerin, wenn nötig. Wir waren die einzigen Ausländer unter einer bunten Mischung von Ukrainern; Jung und Alt, Familien, Männer und Frauen. Gestärkt nahmen wir Abschied von diesem gemütlichen Gasthaus in den Karpaten. Unser nächstes Ziel war das Kloster Hoshiv.

Unser Busfahrer fuhr besonnen auf den schmalen Straßen, – der schlechte Zustand der Straßen ließ auch kein schnelles Tempo zu. Das plötzliche Schritttempo war aber dann doch ungewöhnlich. Die Ursache war ein Trauerzug, der an die drei Kilometer nicht zu überholen war. Mir war das auch recht, – so konnte ich dörfliche Strukturen beobachten, einfache Häuser umgeben von Blumen und vielen Stangenbohnen. Hühner waren zu sehen, angekettete Ziegen vor Hauseingängen und Hunde die sich in der Sonne räkelten oder auch bellten. Zuviel Aufruhr in der Straße! Endlich bog die Trauergemeinde, mit Fahnen und Sargträgern vorneweg, ab und ich konnte die silbern schimmernde Kuppel einer Kirche erkennen. Unser Bus quälte sich sich die Straße hoch zum Kloster in den Yasna Bergen / Karpaten. Bei 38° wehte auf der freien Fläche ein leichter Wind.

Vielen ukrainischen Gläubigen gilt die «miracaculous icon of OUR Lady» als besonders anbetungswürdig. Die Gründung des Klosters erfolgte 1570. Zweimal wurde sie bei Tatarenangriffen zerstört. Schlußendlich wurde eine Kopie der Ikone von Hoshivisky um 1735 gestiftet. Diese überstand ein Feuer und begann um 1736 zu leuchten, – ein Mirakel. Pilger kommen aus weiten Teilen der Ukraine, um hier zu beten. Auch einige der Mitreisenden gingen in die Kirche. Die Frauen bedeckten ihr Haar, überraschend für mich waren darunter auch die flippigen, jungen aus unserem Bus. Ein neuerer, offener Bau bietet auch größeren Pilgergruppen zu besonderen Festen Platz.

Eine Fahrt mit der Carpathien Tram

Bei brütender Hitze warteten wir am kleinen Bahnhof von dem die Schmalspurbahn abfährt. 1860 eröffnet, verband sie Boikivschina mit Zentren der Holzverarbeitung im Österreichisch-Ungarischen Kaiserreich. Die Menschen in diesem ärmlichen Landstrich verdingten sich als Holzfäller. Heute fahren Touristen auf dieser Strecke und wir gehörten dazu. Unterwegs erlebten wir Lebensfreude pur im und am Wasser des Mizunka, in den Waggons erklang Musik, Volkslieder wurden gesungen und es wurde auch getanzt. Unser Zugbegleiter forderte so manche Frau dazu auf.

Meist fuhren wir langsam am Ufer entlang, überquerten an einigen Stellen den Fluß, um dann wieder einmal anzuhalten. Wir stoppten und ruckelten nach mehrmaligen Pfeifen, blieben nochmals stehen… ein kleiner Junge mußte nochmals für «kleine-«. Wieder warten, aber es gab ja keinen Fahrplan. Verspätet kamen weibliche Passagiere tanzend an, – der Junge war zurück und wir konnten weiterfahren. Ein buntes Treiben, unglaublich anzuschauen.

Nach vier Stunden kamen wir wieder an unseren Ausgangspunkt zurück, wo der Bus auf uns wartete. In einem kleinen Laden kauften wir uns noch eine Einliter-Wasserflasche! – wir hatten eindeutig zu wenig zu trinken mit. Die Rückfahrt nach Lviv verlief problemlos und so hielten wir nach zwei Stunden Fahrt, vollbepackt mit neuen Eindrücken, auf dem pl.Halyc’ka. Von dort waren es nur wenige Minuten zu unserer Ferienwohnung über die ul Perkars’ka (siehe unten).

Bereit zur Reise mit dem Train #771 nach Bratislava

An unserem Abreisetag regnete es in Strömen. Mit dem Taxi kamen wir frühzeitig am Bahnhof an, der Zug sollte um 10:10 abfahren. Es gab zwei Wartehallen, die kostenlose war heillos überfüllt und so suchten wir gegen eine geringe Gebühr die angenehmere, mit freien Sitzplätzen auf. Dort gab es, – oh Wunder, auch einige Internetplätze. Zeitgerecht gesellten wir uns zu den bereits Wartenden auf dem Bahnsteig. Als der elendlange Zug einfuhr blieben viele der Waggons außerhalb der Halle im Regen stehen, der vor sich hinplätscherte. Viele Reisende stiegen aus. Der Zug war aus Kiew gekommen. Albrecht versuchte nochmals zu erfragen in welchen der Waggons wir einsteigen mußten. Ich hütete unser Gepäck. Er kam zurück , – ohne Portemonaie. Viel Freude hat der Dieb sicherlich nicht damit gehabt. Es war mit Klebeband repariert, ohne Kreditkarten und nur mit ein paar Hryvnia als Inhalt, – eigentlich nur ein billiger Geldbeutel… Informationen zu unserem Waggon hatte er aber mitgebracht, «der letzte Waggon ist unserer,- los». Also raus in den Regen und im Laufschritt in Richtung Ende des Bahnsteiges. Unterwegs fragte ich noch einen Uniformierten nach: «Bratislava?». «The last one», sagte er und deutete in die von uns bereits eingeschlagene Richtung. Im Waggon, übrigens der einzige, der über die Grenze in die Slowakei fahren würde, erwartete uns schon die Zugbegleiterin. Nach Kontrolle der Tickets zeigte sie uns das Coupe. Für drei Personen mit Gepäck wäre es auf alle Fälle zu eng geworden. Wir verstauten unsere Koffer sehr kreativ und machten es uns «wohnlich».

Neugierig wartete ich auf die Umspurung in Chop (Tschop). Unser Waggon mußte von Breitspur auf die europäische Normalspur umgesetzt werden. Das erfolgte dann auch mit Getöse und dauerte eine Weile am Grenzbahnhof.

Die beiden Paßkontrollen von ukrainischen Zöllnern, und später, kurz nach der Grenze, durch slowakische Beamte, erfolgten zügig und ohne Probleme. Es war ja nun nur ein Waggon, der mit Passagieren in die Slowakei einreiste. Die Fahrt in den Abend erlebten wir bereits in der Slowakei. Sauber und etwas bügelfeucht war die Bettwäsche, die unsere Zugbegleiterin vorbeibrachte. Ansonsten gab es keinen weiteren Service. Für unterwegs hatten wir mit Getränken und Lebensmittel vorgesorgt. Draußen hatte der Regen aufgehört und unser Waggon, der nun an einem slowakischen Zug hing, ratterte unserem nächsten Ziel entgegen.

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