Wo Greyhounds keine Hunde sind

Wo Greyhounds keine Hunde sind

Von Dallas über Atlanta nach Gainesville- Georgia

Eigentlich war es eine Schnapsidee von mir, crazy, naiv und auch sonstwie bescheuert, einige Meilen auf dem Appalachiantrail zu wandern. Albrecht, war wie meist, auch mit dieser abenteuerlichen Tourenplanung einverstanden. Ich bereitete mich akribisch vor, durchforstete Informationen, legte Karteikarten an, bestellte Hefte und anderes Material, wie Wassersäcke, und, und… Ich übte die Technik, einen Sack mit Lebensmittel professionell auf einen Baum zu hängen, damit Bären ihn nicht erreichen würden, «Bear-muda- triangle», – und konnte es kaum erwarten zu starten, doch zuerst stand die Anreise.

Start in Dallas, Texas um 12:30 PM. Im Unterschied zu unserer Fahrt nach New Orleans vor Jahren ging es im Bus ruppiger zu. Der Geräuschpegel war erträglich, da ein Passagier seine Lebensgeschichte verkündete und andere Gespräche wegen der Lautstärke nicht mehr möglich waren. Vielleicht hatte sich der Busfahrer deshalb in Terrell für ungefähr eine halbe Stunde wortlos abgemeldet,… Die Raucher nutzen die lange Pause am Parkplatz und wir warteten geduldig. Zufrieden lächelnd kam der Fahrer zurück und nestelte an seiner Hose herum, was einige Kommentare nach sich zog, die wir allerdings nicht verstanden. Es ging weiter ohne weiteren, längeren, ungeplanten Stopp. In Shreveport, Lousiana nutzten auch wir die 40 Minuten im ansprechenden Busbahnhof mit Toiletten, Lokalen und Shops, um uns zu versorgen und die Füße zu vertreten. Als wir den Mississippi vor Vicksburg überquerten wurde es schon dunkel. Die Fahrt ging nun durch den Bundesstaat Mississippi und im Bus wurde es ruhiger. Ich döste, als wir in Jackson hielten und alle für eine Stunde den Bus verlassen mußten. Auftanken, Fahrerwechsel und Reinigung war angesagt. Für die Weiterfahrt setzte sich eine junge Schwarze ans Steuer, neben sie stellte sich ein stattlicher älterer Mann in Uniform; offensichtlich ein Prüfer oder auch Anleiter. Inzwischen waren wir Weiße im Bus in der Unterzahl. Die Fahrerin fuhr an und der Bus holperte über den Gehsteigrand. Gelächter! Scharfe und laute Worte des Supervisor brachten die Häme sofort zum Verstummen. Es war Nacht geworden und ich war eingeschlafen, als wir in Birmingham, Alabama anhielten und grelles Licht im Bus alle aufweckte. Wir mußten wieder einmal den Bus, diesmal das letzte Mal vor unserem Ziel in Atlanta, verlassen. Als wir wieder starteten waren Fahrerin und Supervisor verschwunden. Ein älterer routinierter Fahrer brachte uns sicher gegen 7:30am an unser Ziel.

Da der Bus nach Gainesville, Georgia erst am späten Nachmittag startete machten wir uns nach Atlanta-Downtown auf. Unser Gepäck konnten wir im Busbahnhof deponieren.

Mit dem Greyhound verließen wir Atlanta und sollten nach ungefähr 2h30 Gainesville erreichen. Es waren dann gut 3 Stunden. Der Bus war ungefähr zur Hälfte belegt. Auch zwei Personen mit Atemwegsproblemen wurden hochgehievt. Die mitgeführten mobilen Sauerstoffgeräte wurden ebenfalls untergebracht. Ich war verwundert, denn nur einer der beiden hatte eine Begleitperson bei sich. Die alleinreisende Frau atmete schwer, trotz ständiger Sauerstoffzufuhr, durch eine Nasenbrille. Es war beängstigend. Unsere resolute Fahrerin steuerte den Bus auf einem Gewirr von Fahrbahnen die Stadt hinaus. Es wurde telefoniert. Einige Sitze vor uns schien ein Geschäftsmann einen Vertrag abschließen zu wollen und sein Gesprächspartner wollte wohl nicht so recht. Die Tonlage wurde immer lauter und aggressiver. Die Fahrerin stoppte kam zu ihm und machte ihn sogleich sprachlos, in zweierlei Hinsicht. Kein Mucks war mehr zu hören. Ich hatte nicht verstanden mit welchem Vokabular sie ihn zurechtgewiesen hatte. Nur, «dieses sei ihr Bus», hatte ich aufgeschnappt, weiteres leider nicht. Bis zum nächsten regulären Halt hatte sich der Zustand der Frau mit Sauerstoffbrille zusehends verschlechtert. Unsere Busfahrerin telefonierte mehrfach an der Haltestelle und die Frau mußte mitsamt Sauerstoffgerät aus dem Bus raus. Als wir weiterfuhren saß sie in einem Rollstuhl vor einer Hauswand und schien gottergeben auf das Weitere zu warten. Sie tat mir leid. Der Busstopp in Gainesville war eine Tankstelle und rundherum Natur. Eine ältere Frau wurde von einem jungen Mann abgeholt, ihr Enkelsohn wie sie ihn uns vorstellte. Er hat auf meine Bitte ein Taxi für uns bestellt. Mit » thank you so much, have a nice time, bye» verabschiedeten wir uns. Unser Hotel einer Kette lag am Rand der Kleinstadt und war gewöhnungsbedüftig, aber wir hatten schon Schlimmeres erlebt.

Einige Tage vor unserer Anreise hatten wir bereits den Transport (Shuttle) zu Woody Gap, unserem Einstieg in den Trail, reserviert. Es klappte auch und wir verabredeten uns telefonisch mit dem Fahrer, einem älteren Weißen. Er werde uns mit seinem Privatfahrzeug abholen, so seine Information. In Gainesville sei das Taxigeschäft komplett in mexikanischer Hand und so könne er nur mit seinem privaten Auto in die Stadt fahren. Ungewohnt, doch auch gut, – Hauptsache wir werden abgeholt. Am frühen Morgen war es dann soweit. Die Fahrt führte über Land, an seinem Haus stiegen wir in das Taxi um und allmählich gelangten wir in die bewaldeten Abhänge der Appalachen und hinauf zu Woody Gap. 100.-US$ bezahlten wir für diese Fahrt, die Rückfahrt nach Atlanta mit Ron war dann um einiges günstiger.

Start-Woody Gap: Wir waren nicht allein, sondern auch andere Hiker wollten einige Meilen an diesem Tag schaffen. Die Rücksäcke aufgesattelt und los ging’s. Albrecht meinte wir würden, und besonders ich, wie «Obdachlose» aussehen. An meinem Rucksack baumelte so einiges hin-und her, der Schlafsack in seiner Hülle hatte auch nicht den richtigen Platz gefunden und der schwere Gaskocher zog schwerkraftmäßig nach unten. Mehrmals auf der Strecke versuchten wir unser Hab und Gut neu zu verteilen und «professioneller» zu packen. Unterwegs trafen wir viel freundliches Volk und kurze Gespräche verleiteten mich immer wieder zu kürzeren Pausen. Was für ein Glück! Getrocknetes Wildfleisch wurde uns angeboten, was ich im Nachhinein als bessere Nahrungsalternative empfunden habe; besser als unsere Ölsardinen in der Dose. Auch Hunde waren auf der Strecke unterwegs, manche auch bepackt und tapfer vorauseilend. Andere wieder schienen Ihrem Besitzer nicht zu trauen und trotteten eher neben oder hinten diesem her.

Am späten Nachmittag erreichten wir unseren angepeilten Übernachtungsplatz, Campsite am Fuße des Blood Mountain/Slaughter Creek. Der Wind hatte sich verstärkt und brachte die Bäume zum Ächzen und Rauschen. Hin und wieder kamen noch Wanderer vorbei. Wir stellten das Zelt auf, etwas geschützt durch Baumstämme. Unmittelbar daneben befand sich eine Feuerstelle gesichert durch Steine. Wir kochten Wasser auf unserem Kocher, hängten die Teebeutel in den Topf, dazu gab’s Ölsardinen, Trockenbrot, danach noch Süßes. Nach dieser «Mahlzeit» schafften wir es, unsere Lebensmittel in bereits zuhause geübter Weise aufzuhängen, «Bear-Muda-Triangle». Dabei versuchte sich Albrecht mehrfach als «Seilhochwerfer» bis es endlich klappte. Wir waren mit unserem Werk zufrieden. «Gut gemacht», erklang eine deutsche Frauenstimme, «wir haben gehört, daß hier «Germans» campen.» Im folgenden Gespräch erzählte sie uns von ihrer Tätigkeit in Atlanta und stellte auch gleich ihren amerikanischen Ehemann vor. Ich machte meinen, vor Verwunderung geöffneten, Mund zu. Unsere Gespräche unterwegs schienen sich weiter verbreitet zu haben, Germans on trail… Das Paar wünschte uns eine gute Nacht bevor sie sich zurück auf den Rückweg nach Neels Gap machten. Sie waren nur auf einem Rundweg um den Blood Mountain, als Tagesausflug von Atlanta aus. Wir verkrochen uns ins Zelt, das einzige hier an diesem Platz. Waschen und Zähneputzen war gestrichen in Ermangelung von Wasser. Der Wind war noch stärker geworden und es dauerte bis ich eingeschlafen war. Nachts zupfte und stupste mich Albrecht bis ich aufwachte. Draußen raschelte es, hörte wieder auf und wieder vernahmen wir diese Geräusche. Mit Pfefferspray bewaffnet zog Albrecht den Reißverschluß am Zelteingang ein kleines Stück hoch und wir sahen hinaus. Friedlich und unbeeindruckt äste ein Reh keine zwei Meter entfernt von uns. Erleichterung, da kein Schwarzbär oder ähnliches….

Am nächsten Morgen war ein zweites Zelt, mit zwei Frauen, auf dem Platz etwas abseits zu sehen. Ganz schön mutig! Wir maschierten mit unseren Habseligkeiten huckepack los. An einem Vermessungpunkt, benchmark, machten wir eine längere Pause.Ich hatte ganz schön zu kämpfen, um den Gipfel des Blood Mountain zu erreichen. Er ist mit 4458 ft. (1486 m) der vierthöchste Berg Georgias. Um ein Shelter, eine offene Schutzhütte ohne Inventar, waren bereits eine große Anzahl von «Wanderwütigen» versammelt. Viele von ihnen offensichtlich nur auf einer Tageswanderung unterwegs, mangels Gepäck und Bekleidung… Nur kurz blieben wir, um bei herrlichem Wetter in die Appalachen zu schauen. Der Abstieg konfrontierte uns mit einer Menschenkarawane, die hochwollte. Es war Feiertag in den USA (?), (der 8. Juni war seit 2003 der National Upsy Daisy Day wie ich erst später recherieren konnte.) «Trudge mode» war ich, und endlich an unserem Ziel angelangt – Neels Gap. Was für ein Genuß: duschen, essen und schlafen in dem zugewiesenen Bett. Hier war eigentlich nur ein Stopp auf unserer Tour geplant, doch es wurde – wie für ungefähr zwei Drittel der Wanderer – das persönliche Trail-Ende, – siehe auch Boot-Tree…

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