Meine Freundin P.Lia
Längere Zeit verbrachten wir nun zwischen den reifen Feldern an den Berghängen. Gyps wirkte noch immer angeschlagen und jammerte manchmal vor sich hin. Nervig, so war er nun manchmal. Die meiste Zeit erkundete ich nun daher die Gegend, doch langsam wurde ich unruhig, mich zog es in den Süden. Als Gyps wieder einmal von seiner Futtersuche zurückkam sprach ich ihn an, «willst du hier für immer bleiben?». «Nein, will ich nicht, aber hier ist’s chillig, die Luft ist gut, alles andere auch…», meinte er und, «warum willst du weiter, sonst bist doch du lieber länger an einem Platz, Kleiner». «Ja, aber wir haben doch bei Wwwpunkt die schönen Bilder mit den glitzernden und bunten Dingen gesehen, da möchte ich hin», erklärte ich und hüpfte dabei aufgeregt hin und her, «du weißt schon…». Gyps grollte tief und rollte seine Augen gefährlich, so als sollten sie stecken bleiben. «Da krieg ich die Gicht, crazy! Was willst du dort, .. ich kann da nicht hin, das Wetter ist grottenschlecht!!», sagte er vorwurfsvoll. «Wieso», widersprach ich, «alles super-b, schön warm-heiß und feucht-naß». «Eben!!!!, die Zweibeiner haben ja ordentlich hot gemacht…», kreischte er kurz, stieß sich vom Felsbrocken ab und verschwand in Richtung der Berge. Nun versuchte ich wieder einmal in Wwwpunkt zu gelangen, und nach anfänglichen Schwierigkeiten war ich mittendrin und nicht nur nebenan. Wunderschöne Bilder zeigten mir meine nächsten Ziele, mit oder ohne Gyps, ich wollte dort hin. Gewissenhaft versuchte ich, ab sofort und gleich, mein tägliches Flugtraining auszubauen, ich wollte fit sein für das große Abenteuer, huch!
Gyps und ich waren uns irgendwann einig. Er wollte mich an den Wolkenpaß bringen, dann aber wieder nordwestlich in den Bergen warten. Wwwpunkt und ich wurden codiert, verbandelt sozusagen, und ich mit Anleitungen vollgestopft. «Kapierst du das, weißt wie du zurückfindest? Ich kann dich immer orten, immer, weiß wo du gerade bist und du kannst das auch, hier gibt’s auch keine Bambusleitung, alles easy, -nur einloggen, Kleiner», meinte Gyps ruppig zu mir. Er wirkte ungeduldig. Ursache war wohl wieder seine Borderitis, so vermutete ich. Insgeheim hoffte ich auf mein Learning-by-doing, nickte daher nur und wollte superschlau dastehen. Verstanden hatte ich so manches nicht, aber ich nickte nur und meinte , «Claro…», damit war das Gespräch beendet.
Also auf zum Wolkenpaß! Ein wenig Wehmut befiel mich, als ich zum letzten Mal bei unseren Nachbarn vorbeischaute, in der Gewißheit nie mehr wiederzukommen, bye, bye, macht’s gut Freunde.
Eigentlich war Gyps ja supernett zu mir, obwohl er die Gegend grottenschlecht fand brachte er mich dorthin, nun ja, nicht ganz. Wir folgten lange einem Fluß, um dann plötzlich schnurstracks nach Süden Kurs zu nehmen, Gyps natürlich. Ich saß ja, wie immer auf Langstrecken, geduckt auf seinem Rücken. Die schönen Bilder aus Wwwpunkt erschienen vor meinen Augen und ich konnte mich daran nicht satt sehen.
Ich sah Wasser bis an den Horizont und Gyps verlor an Flughöhe. Den Wolkenpaß hatte ich mir anders, höher vorgestellt, ungefähr, so, fast an den Wolken. Irgendwie war ich enttäuscht als wir gelandet waren. «Du wolltest hierher», moserte Gyps, «was bin ich froh, daß ich hier wieder fort kann. Morgen mach ich den Geier, und weg.» Ich fühlte mich jetzt doch etwas verlassen hier auf diesem Platz, der nicht bis in die Wolken reichte.
Ein schlangenähnliches Ungetüm bewegte sich ratternd und pfeifend auf den Wolkenpaß zu, dann unverständlicherweise hindurch! Mit diesen furchterregenden Eindrücken ließ mich Gyps am nächsten Morgen alleine zurück. Nun war ich endgültig auf mich gestellt und verdrängte tapfer meine Ängstlichkeit
In den nächsten Tagen versuchte ich Ordnung in meine Reisepläne zu bekommen, was nicht immer gelang. Manchmal verflog ich mich auch und suchte Schutz hinter Mauern oder in Bäumen.
Immer wieder aber konnte ich bunte Dinge bestaunen und auch Zweibeiner, die in Behältern saßen die über das Wasser schwebten, unglaublich. Abends schlief ich gut getarnt in Bäumen. Alles war aufregend, doch Gyps fehlte. Niemand mit dem ich mich über das Erlebte ausschnäbeln oder mich wie ein Kullerkorn freuen konnte. Fast war ich soweit mich wieder auf den Weg zu Gyps zu machen, ich wußte ja wo ich ihn treffen konnte. Als ich eines morgens wieder in der Nähe und abseits des Marktes nach matschigen Früchten suchte drängte sich, ich konnte es kaum glauben, eine Taube an mir vorbei und ich hörte, vorwurfsvoll, «was willst den du hier, bist fremd und unverschämt.» «Aber, aber», stotterte ich. «Was aber, aber», kannst du dich ausweisen», meinte sie und kontrollierte mein Bein. «Keinen Ring, nichts», stellte sie fest und sah mich mit funkelnden Augen an. «Aber Wwwpunkt weiß wer ich bin!», erwiderte ich nun mit fester Stimme. «Aha, davon habe ich schon gehört, aber…», kam es nun schon weniger anklagend. «Aber, aber..», meinte ich nun ironisch, «ich will es dir erklären. Mei name ist chico«. Ich stupste mit meinem Schnabel und sie stupste ebenfalls, zurück. «Ich bin P.Lia, eigentlich Geo-pe-lia, ok, komm mit, yalla», gurrte sie und flog voraus und ich gleich hinterher.
P.Lia war eine wunderbare Freundin geworden und jeder Tag war voller Überraschungen. Nachts hatten wir uns im Garten eines verlassenen Hauses den Schlafplatz reserviert.
Eines Abends meinte P.Lia, «ich hatte es nicht immer so schön….». Dabei verstummte sie, doch ich ermunterte sie weiter zu erzählen. «Ich bin abgehauen, war in einem Käfig eingekerkert und mußte bei einer Dove Competition zum Gurrwettbewerb antreten. Das war im Süden, weit von hier. Ich will da nicht wieder hin». Und dann sah ich mir das auf
http://www.janineartexhibition.blogspot.com/2017/03/asean-ground-barred-dove-competition.html -an.
Hin und wieder sah ich im Wwwpunkt nach dem Rechten, suchte meine Position und die von Gyps. Als ich wieder ein Update machte, konnte ich Gyps nicht finden, kein Signal… Was war los? Zuletzt hatte ich ihn auf 18°23’12» N 105°9’32»O geortet. Ich war besorgt und besprach das mit P.Lia. «Ich werde dir bei der Suche helfen. Aber was ist das für ein Freund, ein Borderliner und Aasfresser, – kann mir nicht vorstellen so jemanden als Freund zu haben», meinte P.Lia und schüttelte ihr Federkleid. Aus Ekel oder um es zu entstauben, ich wußte es nicht, aber fragte auch nicht nach. «Er ist mein Freund», sagte ich leise und dachte an die gemeinsamen Abenteuer mit Gyps. Was wäre das für ein ungeheuerliches Unglück wenn Koordinaten, Azimut und was weiß ich noch alles, nicht mehr stimmten. Mega war, wie ich von Gyps wußte, da am Machen und Tun. Um das zu checken, war ich nicht klug genug, aber P.Lia machte mir Mut. Sie kannte sich hier in vielen Gegenden aus. «Wir werden ihn finden», versicherte sie mir, als wir aufbrachen. Letzte Peilung von Gyps war nun aktuell 18°11’43»N 104°58’16»O. Unser Flug führte entlang der Berge und ich hoffte auf ein Wiedersehen mit Gyps.
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