Kein Wisent in Sicht,
aber der Urwald ist noch existent….. Was bewegt einen 16jährigen Jungen, der in den Bialowiez(ski)a Nationalpark im wilden Osten Polens an der weissrussichen Grenze möchte. Ein sehnlicher Wunsch, den wir erfüllten und der für uns als Reiseziel, eines unter vielen, auch einmal zur Debatte stand.
Der Junge, wir nennen ihn Paul, startete mit uns am ZOB in Berlin, abends um 22h mit einem Bus von Ecolines in Richtung Bialystok.
Der Bus war so gut wie voll besetzt, mit Hostess an Bord und Registrierung der Gepäckstücke. Ich war angenehm überrascht. Neben mir saß ein nicht gerade dicker, aber doch etwas platzgreifender Mann, der nach Kaliningrad wollte. Er hatte in Offenburg seinen Vater besucht. Der Bus kam aus Freiburg und fuhr weiter nach Riga. Vor ihm am Boden stand nun eine wirklich dicke Reisetasche, die ihn natürlich bezüglich Sitzen einschränkte. Bis Warschau hatte ich immer wieder Schwierigkeiten meinen Platzbedarf und auch Platzanspurch zu verteidigen. Ab Warschau war ich dann alleine «Frau» über die beiden Sitzplätze. Gegen 9h trafen wir in Bialystok ein. Paul hievte meinen Koffer hoch und und wieder hinunter über Treppen einer Brücke, die über die Gleise des Bahnhofs führte. Der Bahnhof selbst wird zur Zeit renoviert, während der Busbahnhof bereits in futuristischer Bauweise sauber und übersichtlich glänzte. Lediglich Relikte vergangangener Jahre in Form von Hüttenkiosken und Containern schienen noch eine Gnadenfrist erhalten zu haben. Bei Zabka, einer Lebenmittelkette in kleinerem Stil, rief die Verkäuferin unseren Vermieter an. Sie hatte einige Jahre in Belgien gelebt und war nun wieder glücklich, in Ihrer Heimatstadt zu sein… Unsere Ferienwohnung lag an der Rückseite des Komplexes in dem auch Zabka neben anderen Geschäften auf Kunden wartete. Nachdem wir gegen 11h unsere Wohnung bezogen hatten, machten wir uns auf ins Zentrum, auf Besichtigungstour.
Bialystok ist mit an die 300000 Einwohnern die größte Stadt im Nordosten Polens und gleichzeitig Hauptstadt der Woiwodschaft Podlaskie. Wie wir später hörten eine boomende Stadt, verkehrsgünstig gelegen an der Strecke in das Baltikum. Die Geschichte der Stadt reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück, erstmals wurde sie 1514 erwähnt. Besonders geprägt durch die Familie Branicki entstanden Schloss, aber auch andere Bauten wie Schulen, Krankenhaus, Waffenkammer, Rathaus und soziale Einrichtungen. Prägend waren auch das multikulturelle Umfeld vieler Nationen mit ihren Bräuchen und Traditionen, sowie Religionen. Weissrussen, Juden , Litauer, Russen, Tataren, Ukrainer und Roma lebten hier zusammen. 1862 wurde die Eisenbahnlinie Warschau – St. Petersburg eröffnet und ermöglichte so die industrielle Entwicklung. Besonders die Textilproduktion erfuhr eine Hochblüte.
Die ul. Lipowa ist die Vorzeigestraße der Stadt, flankiert von vielen Lokalen und auch Geschäften. Vom Rathausplatz aus sind es nur wenige Schritte zur Kathedrale und dem Schloss der Branickis. Bei herrlichem, spätsommerlichem Wetter besuchten wir nach unserer Tour eines der Cafes. Unsere Einkäufe waren besorgt und ich hatte mich mit dem «selbstzündenen» Gasherd angefreundet und kochte wie immer in den Ferienwohnungen. Mit dem privaten Busanbieter «Voyager», wollten wir zu unserem nächsten Ziel Hajnowka am nächsten Tag aufbrechen. Der schon etwas in die Jahre gekommene Kleinbus startete am modernen Busbahnhof. Wir saßen ganz hinten und waren froh einen Sitzplatz zu haben. Unser Gepäck hatten wir nach Anweisung verstaut. In Bialystok stiegen an mehreren Haltestellen noch Fahrgäste ein, die nur mehr Stehplätze vorfanden. Der Preis für zirka 80 km war unschlagbar, 10,- Zloty oder 2,50 €. Wegen Bauarbeiten auf der Hauptstrecke fuhren wir über die Dörfer, was ich sehr interessant fand. In einem der Orte standen kleine Bänke vor den Häusern, außerhalb der Zäune. Eine Frau sah ich darauf sitzen. Sie schien das Geschehen auf der Straße zu beobachten. In Hajnowka angekommen meldete ich mich telefonisch bei unserer Vermieterin, die uns ihren «husband in a yellow car» vorbeischickte, um uns abzuholen. Die weitere Kommunikation gestaltete sich schwierig. «Husband» sprach polnisch und russisch und so mußte Albrecht seine Russischkenntnisse ausgraben. Unsere Vermieterin lernten wir erst am 5. Tag, unsere Abreise, persönlich kennen. Sie fuhr uns mit dem «yellow car» zur Bushaltestelle. Der Abschied war dann doch auch emotional mit Umarmung.
Hajnowka Impressionen
Die Ferienwohnung war sehr geräumig und praktischerweise gab es im Haus auch einen kleinen Supermarkt. In der Küche mußte ich mich mit einem Induktionsherd auseinandersetzen, und eine irrtümlich aktivierte Kindersicherung strapazierte meine Nerven, – eine polnische (natürlich) Bedienungsanleitung war vorhanden…. Die Kleinstadt bot alles was wir benötigten, zumal ein modernes Einkaufszentrum keine Wünsche offen ließ. Mit Scannerkassen ausgestattet waren die Kunden genötigt, ihre Waren nach Möglichkeit ohne Personal zu «kaufen». Was mir allerdings nicht gelang und ich den Unmut einer Servicemitarbeiterin auf mich zog. Ein «sorry» nahm diese dann allerdings freundlich zu Kenntnis. Im Osten Polens fand ich einiges an Überraschungen, auch ….
– eine mir unbekannte Vogelart. Schrilles Gezeter war zu hören und in großen Trupps hockten sie in und auf Bäumen.
Rund um den Bialowieza Nationalpark
Durchgang zum Hofmarschallbereich Teich im Schlosspark Holzgutshaus Lokal neben PTTK PTTK-Office http://www.pttk.bialowieza.pl
Der Nationalpark Bialowieza ist Heimat der letzten Wisente Europas. Neben dem Nationalpark mit seiner Kernzone breiten sich an seinen Rändern große Waldgebiete aus, die teilweise mit Wanderwegen erschlossen sind. Der Nationalpark ist nur mit Guide (buchbar im PTTK-Office, auch online) begehbar und auch nur in ausgewiesenen Bereichen. Mit 1500 km² liegt er zu einem Drittel in Polen und zu zwei Drittel in Weißrussland. Im Vorfeld erstreckt sich der Schlosspark mit 50 Hektar. Ein Palais diente in früheren Zeiten dem Adel als Jagdresidenz und war 1944 abgebrannt. Es war 1894 von Zar Alexander III. errichtet worden. Lediglich ein Holzgutshaus von 1845 steht noch und wurde aufwendig renoviert. Im einem modernen Gebäude befindet sich unter anderem der Sitz der NP- Verwaltung,
Der Legende nach gab es in alten Zeiten im Bereich des ehemaligen Palais einen heidnischen Hain mit riesigen Eichen. Eine positve energetische Strahlung wurde von so manchen Sachkundigen festgestellt, aber auch in den Wäldern in Richtung Hajnowka gibt es mehrere Kraftorte an Wanderwegen zu entdecken.
Im Nationalpark unterwegs
Unsere erste Tour hatten wir online gebucht und Maria, unsere deutschkundige Wanderführerin versorgte uns während der ungefähr 4 stündigen Tour mit allerlei Wissenswertem. Als ehemalige Lehrerin führte sie bereits seit 30 Jahren Touristen durch diesen Nationalpark, kannte sozusagen die Bäume im Wachsen und Vergehen. Ihre Erläuterungen begann sie ausholend mit «stell’n sie sich vor…», bevor ihre kompetenten Kentnisse folgten.
Die zweite Tour buchten wir vor Ort. Es mußte noch eine Sondergenehmigung eingeholt werden, da die Wanderung weiter in den Nationalpark hinein führte, (20km). Es war Pauls Wunsch und so waren er, Albrecht und Guide Tadeusz (auch deutschspr.) an einem regnerischen Sonntag dorthin unterwegs. Ich hatte mich dazu bereits im Vorfeld nicht aufraffen können. Mit dem Voyagerbus fuhren Paul und Albrecht die Strecke zum Nationalpark, zurück nahmen sie ein von PTTK empfohlenes Taxi für 50.- günstige Zloty, (12.-€). Für die Taxifahrten der ersten Tour (hin und zurück) bezahlten wir jeweils 20.-€, vermittelt durch den Sohn unserer Vermieterin.
Albrechts Bericht
Unser Guide Tadeusz war auch Lehrer und ungefähr in meinem Alter, führte aber auch schon seit 30 Jahren Touristen durch den Urwald. Sein Spezialgebiet waren Pilz und ihre Bedeutung. Er führte Paul und mich auf fast nicht sichtbaren Wegen durch den Wald und erzählte vieles über die Geschichte dieses Gebietes , – früher ein Jagdgebiet des Hochadels, später auch der politischen «Prominenz». Natürlich kannte er auch jeden Baum, sowohl noch aufrecht stehend oder als «Totholz» auf dem Waldboden liegend, mit Pilzen, Moos und Flechten überzogen. Tiere konnte er uns nicht zeigen, erzählte aber viel über deren Lebensweise und Gewohnheiten. Nach fast 6 Stunden brachte er uns wieder zum Ausgang zurück. Ein im Voraus geordertes Taxi brachte uns dann wieder nach Hajnowka zurück.
Albrechts Bericht zur 2. Tour
Abschied von Hajnowka
Ohne Wisente gesehen zu haben ging unsere Zeit hier zu Ende. Zwei Hirschkühe und ein Eichhörnchen waren die «Ausbeute». Trotzdem war es ein Erlebnis, in diesem Wald zu wandern. Die Rückfahrt nach Bialystok bewältigten wir, nach der fünften Nacht in unserer Ferienwohnung, entspannt, der Bus war kaum besetzt und unser Gepäck fand auf Sitzen Platz. Wieder fuhren wir über die Dörfer und näherten uns bald dem Busbahnhof, den wir ja nun schon kannten. In unserer Ferienwohnung war diesmal mehr Wert auf Sauberkeit gelegt worden und auch mehr Handtücher waren vorhanden. Die Reinigungskraft war noch vor Ort und wir wollten keinen unnötigen Stress verursachen, stellten unser Gepäck ab und gingen einkaufen. Zwei ganze Tage galt es nun mit Aktivitäten zu verplanen. Für mich stand fest, die Route der Holzarchitektur zu erwandern. Schwerpunkte waren die Stadtteile Bojary (Nordosten) und das ehemals jüdische Viertel Chanajki um Südwesten der Stadt. So entschied ich mich diese Route in zwei Etappen in Angriff zu nehmen. In den Stadtteil Bojary begleiteten mich Paul und Albrecht. Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes machten sie sich in die Umgebung auf und ich in das Viertel Chanajki.
Meine Themenwanderung in Bialystok – Route der Holzarchitektur
Vorneweg: es war enttäuschend. Mehr oder weniger Überbleibsel sind noch vorhanden. Die Markthalle am Stary Rynek, bis 1919 Swinski Bazar (Schweinebasar) war nun ein Supermarkt. Wir klapperten die ul. Slonimska, ul. Wiktoria und ul. S.Staszia ab. An manchen der Zäune waren plakatartig alte Ansichten der einstigen Holzhäuser aufgehängt, immerhin. So beschlossen wir, den Rundgang zu beenden und besuchten im Zentrum noch eine Shoppingmall, die auch sonst irgendwo sein könnte. Den zweiten Teil der Tour startete ich allein bei regnerischen Wetter. Die ul. Czarna war ein negativer Höhepunkt (siehe Fotos). Ich stapfte die Baustelle entlang mit entsprechendem Straßenzustand. Die ul. Mlynowa führte mich in Richtung Rynek Sienny, dem größten Marktplatz der Stadt, der in den 1930er Jahren eröffnet wurde und heute eine Riesenbaustelle ist. Verschämt stehen noch einige Holzhäuschen mit zugenagelten Fenstern oder auch mit bunter Reklame behängt am Straßenrand. In der Broschüre Bialystok, touristische Routen – Reisebesteck eines Touristen wird noch auf in der Stadt verstreut vorhandene Holzgebäude verwiesen; mein schönstes habe ich in der Sw. Rocha gefunden…
Unterwegs in Bialystok
Am letzten Tag vor unserer Abreise nach Warschau besuchten wir das «Hokuspokus». Im nahegelegenen Supermarkt hielt das Selbstbedienungsrestaurant ein umfassendes Angebot an warmen und kalten Speisen zur Auswahl bereit. An der Kasse wurde der Teller mit dem darauf Befindlichen abgewogen und danach der Preis ausgedruckt, ganz gleich was man gewählt hatte.
Unsere Zugfahrt nach Warschau dauerte an die zweieinhalb Stunden zu einem Preis von 30.- Zlotys pro Person. PKP Intercity bot guten Service in einem modernen Zug an und wir waren zufrieden.
In Warschau
Inzwischen hatte die virulente Erkältung von Albrecht zu mir gewechselt und verdammte mich in Warschau zu Zimmerarrest im Hotel. Als Trost war die Aussicht wunderschön. Paul und Albrecht erkundeten die Altstadt. Am nächsten Tag machte sich Paul zu einer längeren Wanderung an den Ufern der Weichsel auf, während Albrecht noch Geschäfte suchte, wo er die letzten Zlotys loswerden wollte. Ich hütete weiter das Hotelzimmer.
Albrechts Bericht
Während Monika das Zimmer hütete machten Pauli und ich uns auf, um die Warschauer Altstadt kennenzulernen.Zuerst am Ufer der Weichsel entlang nach Norden zum Altstadtmarkt, Rynek Starego Miasta, der komplett neu wieder aufgebaut worden war. Der Charme des «Alten» konnte nicht nachgebaut werden. Er wirkte etwas künstlich. Auf der Promenade Krakowskie Przedmiesce ging es dann zurück zum Hotel. Am nächsten Tag versuchte ich mein polnisches Geld los zu werden. Allein zog ich los: nochmals zum Altstadtmarkt, dann zum pl. Marsz. J. Pilsudskiego mit dem angrenzenden Saski-Park. Im Zlote Tarasy wurde ich mein Geld los. Die riesige Shoppingmall liegt direkt bei Kulturpalast und Hauptbahnhof, wurde 2007 eröffnet und läßt keine Wünsche offen. Der Rückweg zum Hotel führte mich durch Parks und historische Gassen.
Albrechts Warschaubericht
Am Tag unserer Abreise konnte ich dann, doch noch zumindest, das bekannteste Fotomotiv Warschaus, den Kulturpalast fotografieren und in der gegenüberliegenden Shoppingmall herumschlendern. Alles unmittelbar am Zentralbahnhof. Unser Zug nach Berlin-Gesundbrunnen fuhr um 12h20 in Warschau ab. Die Waggons waren schon etwas älter, doch das wurde durch freundlichen Service und kostenlose Getränke ausgeglichen.
Gegen 19h atmeten wir wieder Berliner Luft…